Entlang des Osum folgen wir dem Flusslauf Richtung Südost. Rund 50 Kilometer von Berat entfernt befindet sich die Osum-Schlucht, die den Namen Grand Canyon Albaniens trägt.

Wie stets unterscheiden sich die 50 albanischen Kilometer von dem, was wir gewohnt sind. Die ersten Kilometer geht es noch durch ein breites Tal, in dem sich viele kleine Felder aneinander reihen. Hier sehen wir auch das erste Mal Plastik-Gewächshäuser in Albanien.

Die Felder scheinen hier eher klein zu sein und werden vermutlich von Familien bewirtschaftet. Und so sind sie dann auch unterschiedlich bestellt und verweben sich zu einer Art Quilt.

In den ländlicheren Regionen Albaniens hat sich die traditionelle Landwirtschaft noch erhalten. Wir sehen zwar auch Traktoren jeden Alters – Pferdegespanne und Lastenesel sind jedoch noch weit verbreitet. Und auch die Hirten ziehen gemeinsam mit ihren Schaf-, Ziegen- oder Kuhherden durch das Land.

In diesem Land finden wir eine weitere Besonderheit: die ungewöhnliche Art, sich gegen den „bösen“ Blick zu schützen. Dieser Volksglaube könnte der älteste und am weitesten verbreitete sein. Neid und Missgunst, über die Augen ausgestrahlt, wird eine besonders verheerende Wirkung zugeschrieben. Verstorbenen sagt man nach, dass sie Lebende, die ihnen in die Augen schauen, in die Tiefe reißen können.

Zur Abwehr dieses Schadenszaubers gibt es weltweit die verschiedensten Schutzmaßnahmen: So kennen wir das Hufeisen über der Eingangstür, manchem Neugeborenen wird ein rotes Band an den Arm gebunden oder es werden Schutzverse aufgesagt. Am weitesten verbreitet ist vermutlich das tragen von Amuletten. In Albanien schützen Plüschtiere vor dem bösen Blick. Wir haben sie überall gesehen: an Gartenzäunen, Balkonen und Rohbauten. Manche dieser Plüschtiere sehen richtig gruselig aus, nachdem Wind und Wetter ihnen zugesetzt haben oder weil nur noch Teile von ihnen übrig sind. Zwei Fotos von schöneren Exemplaren seht Ihr hier.

Da der Bedarf an Plüschtieren entsprechend groß ist, haben wir auf vielen Märkten auch ein umfangreiches Angebot gefunden. War es zuerst für uns ein eher ungewöhnlicher Anblick, ist es jedoch mit dem Wissen über ihre Funktion gut zu verstehen.

Nach rund 50 Kilometern erreichen wir Çorovoda, deren Namen „schwarzes Wasser“ aus dem bulgarischen stammt. Hier halten wir nur kurz, um unser Bargeld aufzufüllen und fahren die letzten Kilometer zur Osum-Schlucht.

Auf unserem Weg entlang der Schlucht sehen wir schon von der Straße aus, wie die Felswände an einigen Stellen senkrecht in die Tiefe fallen. Bis zu 80 Meter hat sich der Fluss eine Schneise gegraben. Entlang des Canyons gibt es ein paar Aussichtspunkte, an denen wir halten können. Manche Stellen sind so schmal, dass Laika ein gutes Stück auf die ohnehin sehr schmale Straße ragt. Aber wir haben Glück, die Besucher sind heute nicht so zahlreich und die Gegebenheiten machen das zügige fahren nahezu unmöglich.

Um nicht wieder den ganzen Weg zurückfahren zu müssen, wollen wir eine Abkürzung zur nächsten gelb markierten Straße fahren. Die ersten zwei Kilometer sehen auch gut aus. Die Straße ist breit und neu geteert. Es empfiehlt sich jedoch immer, die gesamte Strecke vorab anzuschauen. So auch jetzt. Denn als wir rechts abbiegen, endet der Asphalt keine hundert Meter weiter und eine Schotterpiste beginnt. Diese führt die nächsten 20 Kilometer in Richtung der von uns auserkorenen gelb markierten Straße – Fahrzeit geschätzte zwei Stunden. Also wieder umdrehen und doch die ganze Strecke zurück. Aber nicht, ohne diese Schildkröte vor dem herannahenden Auto am Wegesrand in Sicherheit zu bringen.

Den Weg kennen wir ja jetzt und die Stellplätze sind rar gesät in diesem Gebiet. Zuerst durch Çorovoda, dass mitten in unbewohntem Gebiet liegt und in seiner Bauweise stark an vergangene Zeiten erinnert.

Rund 15 Kilometer vor Berat haben wir keine Lust mehr auf fahren und fragen an der Nurellari-Winery, ob wir auf ihrem Parkplatz übernachten können. Das ist kein Problem und so kommen wir unverhofft zu einer Weinprobe. Der Wein überrascht uns. Er ist ausgesprochen lecker, so dass wir gleich ein paar Flaschen mitnehmen. Einen Anbieter in der Schweiz haben wir gefunden: wer selbst probieren will – hier entlang (ob sie auch versenden, weiß ich nicht).

25. April 2022