Der Grenzübergang in den Kosovo ist ein bisschen aufregender als alle bisherigen. Denn Silke wird gebeten, rechts ranzufahren und mitzukommen. Je mehr Zeit vergeht, desto farbiger malt meine Fantasie sich aus, was im Grenzhäuschen alles so vor sich gehen könnte. Ich sehe schon vor mir, wie Silke befragt wird und wir am Ende nicht ins Land einreisen können. Und mittendrin in diesen Hirngespinsten klopft Silke an die Scheibe, lacht und hält einen Versicherungszettel in die Höhe. Unsere Versicherung für das geografische Europa gelte nicht für den Kosovo, erfährt sie. Es sei eine extra Versicherung für Laika abzuschließen. Und damit auch alles seine Ordnung hat, hält der Grenzer Silke lächelnd das entsprechende amtliche Dokument unter die Nase. 15 Euro für 15 Tage kostet uns das und nachdem er den Stempel aufs Papier gedrückt hat, können wir weiter.

Im Malicamp in Kruja haben wir den Tipp bekommen, nach Junik zu fahren. Dort lebt eine kosovarische Familie, die ihren Garten zum Campingplatz umfunktioniert hat. Und so erreichen wir etwas später unser Ziel mitten in einem neu gebauten Wohngebiet. Ein paar Minuten später kommen Sahid, Tina und ihre beiden Söhne nach Hause und heißen uns sehr herzlich willkommen. Wir sind die einzigen Gäste, werden ins Haus und sogar zum essen eingeladen.

Und am nächsten Tag feiern wir gemeinsam meinen Geburtstag.

Kosovarischer Wein ist sehr zu empfehlen

Vor einiger Zeit ist der Familie eine Katze zugelaufen, die entschieden hat, dass hier ihr neues zu Hause ist. Als wir da sind, zieht sie gerade ihr zweites Junges groß.

Wir erfahren einiges über den Kosovo, seine Geschichte und wie die Menschen diese Jahre erlebt und manchmal auch überlebt haben. Der Kosovo-Krieg 1999 ist der erste, dem wir auf unserer Reise durch das Gebiet des ehemaligen Jugoslawien begegnen. Viele der traditionellen Steinhäuser wurden während des Krieges zerstört. Die neu errichteten Häuser erinnern eher an den österreichischen Baustil.

Bei unserer Stadtbesichtigung werden wir eingeladen, die Tekke Halveti-Bektasi zu besichtigen. Ihr offizieller Name ist „Die Große Mutter Tekke des Alijjei – Halvetije Xhaferije Ordens in Junik“. Sie ist ein Zentrum der Sufi-Bruderschaft und bedeutet „Rückzugsort“, „Schutz“ oder „Asyl“. Einer Tekke sind wir schon in Albanien auf dem Berg Mali i Krujas begegnet. Diese Tekke hier unterscheidet sich jedoch erheblich von der kleinen Einsiedelei auf dem Berg. Sie wurde neu errichtet und besteht aus einem zentralen Gebäude, einem kleineren Raum für die Ruhestätte des Begründers dieser Tekke und einem schön angelegten Außengelände.

Einer der Derwische führt uns durch die Räume und erklärt uns deren Bedeutung. Vor allem der große Gebetsraum beeindruckt mit seiner Energie. Und auch wenn er auf dem ersten Blick schlicht und einfach erscheinen mag – die Leuchter sind aus Swarowski-Steinen und der Teppich wurde eigens für diesen Raum angefertigt. Überhaupt versprüht die ganze Anlage eine hochwertige Eleganz.

Nach drei Nächten im Junik-Camping verabschieden wir uns, denn wir wollen weiter. Wir haben uns ein paar Orte ausgesucht, die wir noch besuchen wollen.

Der erste ist das serbisch orthodoxe Kloster Visoki Dečani nördlich von Junik. Kurz bevor wir es erreichen, müssen wir jedoch abbremsen, um im Slalom den auf der Straße stehenden Betonbarrieren auszuweichen. Je näher wir kommen, desto militärischer wird die Umgebung: Stacheldraht, Militärjeeps und weitere Barrieren. Am Kloster werden wir von einem jungen Soldaten abgefangen, der uns auf den kleinen Parkplatz dirigiert. Dann holt er seine Kamera heraus und schießt ein Foto von unserem Nummernschild.

Am Eingang werden wir dann von dem KFOR-Soldaten in breitem österreichisch empfangen und um die Abgabe unserer Ausweise gebeten. Das Kloster, dass seit 2004 UNESCO Weltkulturerbe ist, wurde seit dem Ende des Kosovo-Kriegs viermal mit Mörsergranaten beschossen. Es steht nun auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes und blieb bisher vermutlich nur durch die dicken Außenmauern und den intensiven KFOR-Schutz weitgehend unversehrt.

Im Inneren des Klosters ist es leider nicht erlaubt, Bilder zu machen.

Unser nächstes Ziel ist die Tropfsteinhöhle Gadime südlich von Pristina. Es dauert etwas, bis wir ihren Eingang gefunden haben, denn er ist hinter einem Restaurant versteckt. Es ist jedoch schon zu spät für einen Besuch und so fahren wir noch etwas weiter, da wir nicht gern mitten im Ort übernachten wollen. Auf dem Weg zum Platz kommen wir an sehr ärmlichen Behausungen vorbei. Wir sind die Attraktion des Tages und kaum haben wir unseren Stellplatz erreicht, kommen drei Personen schnellen Schrittes auf unser Auto zu. Es ist ein vielleicht 16-jähriges Mädchen und ihr kleinerer Bruder. Etwas weiter entfernt wartet die Mutter oder große Schwester auf die beiden. Und schon beginnt das Geduldsspiel. Die beiden schauen unentwegt zur Fahrerseite herein, um uns irgendeine Reaktion zu entlocken. Die typische Bettel-Handbewegung machen sie nicht, aber das penetrante gucken ist sehr unangenehm. Silke bleibt cool, während ich mich in den hinteren Teil der Laika verkrümel. Nach gefühlten Stunden aber wahrscheinlich nur 20 Minuten, hat Silke den Wettstreit gewonnen. Die beiden laufen zurück ins Dorf und wir sehen danach niemanden mehr. Einzig der Wachschutz im Gebäude hinter uns ist noch da. Er bewacht das Depot mit den Sprengmitteln. Insgesamt also ein sicherer Ort ;o).

Am nächsten Morgen fahren wir dann wieder hinab zur Tropfsteinhöhle. Wir lösen unser Ticket, gehen zum Eingang und – dürfen ganz allein durch die Höhle laufen. Das hatten wir bisher auch noch nicht. Was wir nicht wussten: der für Besucher erschlossene Teil ist nur rund 500 Meter lang. Unser Rundgang dauert dann auch keine zwanzig Minuten.

06. – 10. Mai 2022