Knapp 130 Kilometer von Bran entfernt thront die Ruine der Burg Poenari auf einem Felsen. Sie gilt als die „echte“ Dracula-Burg und wenn wir schon mal da sind, wollen wir sie uns auch anschauen. Sie befindet sich direkt an der alpinen Hochstraße Transfăgărășan, die ebenfalls auf unserer todo-Liste steht.
Diese Liste hat sich in den letzten Tagen sehr erweitert. Um mal mit einem Plan durchs Land zu fahren, kaufen wir in Brasov eine Karte Rumäniens. Darauf kleben wir bunte Fähnchen an die Orte, die wir unbedingt sehen wollen. Unsere Bekannten erweitern diese um weitere sehenswerte Ziele in ihrem Land. Sie empfehlen uns, auch den Werkstattbesitzer zu fragen, da er mit seinem Wohnmobil schon viele Orte entdeckt hat. Und während Laika ihren Ölwechsel bekommt, markieren wir mit seiner Hilfe weitere Orte. Am Ende leuchten vierzig bunte Fähnchen auf der Karte. Gleich vorweg: wir haben nicht alle Orte geschafft. Aber wir hatten ab diesem Moment einen guten Plan, der uns einige Recherchearbeit unterwegs abgenommen hat.
Unser nächstes Ziel ist also die Burg Poenari. Mehr als 1.400 Stufen führen zu der Anlage, in der Graf Vlad III. im 15. Jahrhundert eine zeitlang gewohnt haben soll. Leider ist sie im Moment wegen Sanierungsarbeiten geschlossen. So ganz unglücklich bin ich deshalb nicht. Ich bin eher im Pass-Straßen-Modus.
Bären-Begegnung
Die Transfăgărășan ist je nach Wetterlage zwischen Juni und Oktober geöffnet. In diesem Jahr hielt sich der Winter sogar bis Mitte Juni im Hochgebirge und die Straße wurde erst vor wenigen Tagen für den Verkehr freigegeben.
Das Gebiet ist unter anderem Heimat von Bären, die ab April aus ihrem Winterschlaf erwachen. Und es dauert auch nicht lange, als wir an parkenden Motorrädern und Autos am rechten Straßenrand vorbeifahren. Die Fahrer beobachten einen jungen Bären, der auf der Straßenbegrenzung steht. Wir vermuten, dass zwei der Männer Ranger sind und wir vermuten auch, dass die Stelle eine Futterstelle ist, um den Touristen eine Art „Bärengarantie“ zu bieten. Ganz ehrlich? Wir finden das so richtig doof.
Kaum fahren wir um die nächste Kurve, sehen wir einen ausgewachsenen Bären am Wegesrand. Wir bleiben kurz stehen und Silke lässt das Fenster auf meiner Seite herunter „damit ich besser Fotos machen kann“. Das finde ich gar nicht lustig und ich lasse die schützende Barriere sofort wieder hoch. Schließlich sind Bären nicht nur ständig auf Nahrungssuche, sie können auch sehr gut riechen. Und in unserem Kühlschrank würde er sicher fündig. Aber der braune Riese ist so gar nicht an uns interessiert und wir fahren weiter. Nur wenige Kilometer bergauf stapft ein dritter Bär direkt hinter einer Kurve gemächlich über die Straße. Es macht Sinn, auf der Transfăgărășan jederzeit mit einer solchen plötzlichen Begegnung zu rechnen.
Die Geschichte der Transfăgărășan
Dort wo jetzt die Transfăgărășan auf bis zu 2.042 Meter die Karpaten hinauf führt, gab es bis in die siebziger Jahre lediglich ein Forstweg. Bis Nicolae Ceaușescu den Auftrag gab, eine Verbindung für schnelle militärische Truppenbewegungen zwischen der Walachei und Transsilvanien zu schaffen. Sie sollte die Garnisonen in Piteşti und Sibiu miteinander verbinden.
6.000.000 Kilogramm TNT sprengten die Schneise in den Berg, rund 3 Millionen Kubikmeter Gestein wurden bewegt. 440.000 Kubikmeter Fundamente und Mauerwerk und 27 Viadukte und Brücken wurden errichtet. 40 Arbeiter ließen dabei ihr Leben.
Wir hoffen auf einen Platz zum anhalten und um die Aussicht zu genießen. Doch die sind zum einen rar gesät und dazu meist auch schon besetzt. Damit geht unser Plan, hier oben zu übernachten, leider nicht auf.
Wir beschließen, die Straße wieder hinab ins Tal zu fahren und uns dort einen Stellplatz zu suchen. Schließlich finden wir ihn am Ufer eines Flusses mit Blick auf das Transfăgărășan-Gebirge.
23. Juni 2022