Am nächsten Tag fahren wir nach Sibiu (deutsch: Hermannstadt, ungarisch Nagyszeben) und suchen einen Platz zum übernachten.
Wir haben von einem Freiluftmuseum, dass sofort auf unsere todo-Liste wandert. Doch heute wollen wir eine Pause von all den Eindrücken der letzten Zeit. Unsere Art zu reisen ist wunderschön aber auch ziemlich anstrengend – kein Tag ist wie der andere und wir sind jeden Tag auf der Suche nach einem Ort, an dem wir uns für die Nacht sicher fühlen. Deshalb entscheiden wir uns, heute einen Ruhetag einzulegen. Einen Sonntag sozusagen. Unseren place to be finden wir in der Nähe des Museums an einer Wiese. Und erhalten unverhofft Besuch von offizieller Seite.
Am nächsten Tag fahren wir die wenigen Meter und parken an der Schnellstraße direkt neben dem ASTRA-Komplex.
ASTRA ist ein Freiluftmuseum, das die ganze Vielfalt der rumänischen Kultur und Architektur erlebbar macht. Rund 400 Gebäude aus allen Teilen Rumäniens wurden an ihrem ursprünglichen Standort ab- und hier originalgetreu wieder aufgebaut. Sie alle stehen auf rund 96 Hektar im Pădurea Dumbrava (jungen Wald) und sind durch einem zehn Kilometer langen Spazierweg miteinander verbunden. Das Museum ist thematisch gegliedert nach Berufen, Handwerk, Industrie und Kunst. So steht zum Beispiel eine Mühle aus dem Donaudelta direkt neben einer Mühle aus der Maramureș oder einer aus Siebenbürgen.
Wir bummeln durch das größte Freiluftmuseum Europas. Nicht alle Häuser sind offen aber wo es möglich ist, nutzen wir jede Gelegenheit, ins Innere zu schauen. Und verfangen uns in den kleinen Feinheiten dieser Häuser – in den alten Holzbalken, den winzigen Fenstern, den farbigen Anstrichen. Hier, im warmen Sommerwind unter schattensprendenden Bäumen verströmt die Anlage eine idyllische Romantik. Doch die Menschen, die in den Häusern lebten und arbeiteten würden ihr Leben sicher nur bedingt als romantisch beschreiben.
Vor der Holzkirche aus der Region Salaj haben sich festlich gekleidete Menschen versammelt, die alle auf etwas zu warten scheinen. Zuerst verstehen wir die ganze Aufregung nicht und wundern uns, warum die Frauen in hochhackigen Schuhen und engen Kleidern durchs Museum bummeln. Bis wir verstehen, dass hier gerade geheiratet wird.
Nur wenige Meter weiter begrüßen uns Menschen in farbigen Trachten. Von einer kleinen Bühne weht traditionelle Musik herüber. Auf der Wiese dazwischen sind Sitzsäcke verteilt, auf denen Menschen lümmeln. Wir finden zwei freie Säcke und lümmeln uns dazu.
Wir fühlen uns wohl in dieser bunten Häuser-Vielfalt. Und können uns einfühlen, wie die Menschen früher gelebt und gearbeitet haben. Und es vermutlich an einigen Orten im Land noch immer tun.
Dieses Museum ist wirklich sehenswert und wir verbringen einige Stunden im Gelände. Die vielen Eindrücke machen uns schließlich hungrig und wir kehren zum Kraft tanken in einem der kleinen Restaurants ein. Als wir auf dem steinernen Balkon nach einem freien Platz suchen, rutschen zwei Besucher enger zusammen und laden uns ein, auf ihrer Bank mit Platz zu nehmen. Von hier oben schauen wir genau auf die Hochzeitsgesellschaft in einem Pavillon uns gegenüber. Deren zu Beginn hoher Geräuschpegel nimmt merklich ab, als die Servicekräfte mit dem servieren der Speisen beginnen.
Mit vollem Bauch und ein bisschen fußfaul fahren wir weiter nach Sibiu. Doch dazu später mehr…
24. – 25. Juni 2022