Von der See geht es nun hoch ins Gebirge. Nur rund 35 Kilometer von unserem Standort entfernt liegt Kruja, eine Kleinstadt am Hang des Skanderbeg-Gebirges. Hier wurde uns ein Campingplatz empfohlen, direkt unterhalb des steil aufragenden Berges. Beim Malicamping treffen wir Sandra und Guido, die einen Stopp auf ihrer eigenen Reise eingelegt haben und nun mit viel Liebe diesen kleinen Platz Stück für Stück aufbauen. Wir fühlen uns sofort herzlich willkommen.
Über uns ragt der Mali i Krujes mit 1.176 Metern auf und auch der Weg in die Stadt führt stetig bergauf. An diesem ersten Tag bummeln wir etwas durch die Stadt. Uns ziehen die Häuser des renovierten Basars an. Sie sind in der typischen Architektur der Berge errichtet und in jedem Haus werden Souvenirs feilgeboten. Durch diese vielen optischen Ablenkungen geraten dann auch die Ornamente und Verzierungen der Häuser etwas aus dem Blickfeld. Es ist kaum jemand unterwegs und so erhalten wir die volle Aufmerksamkeit und werden von den Ladenbesitzern in jedes der einzelnen Läden einladen. Zum Glück haben wir in unserer Laika nur begrenzt Platz, so dass uns die Vernunft dem Kaufrausch entkommen lässt.
Die Burg von Kruja wurde laut der Überlieferung etwa um 500 n. Chr. von Illyrern erbaut. Bis ins 9. Jahrhundert entwickelte sie sich allmählich von einer kleinen Burgsiedlung in ein Stadtzentrum. 1443 befreite der albanische Nationalheld Georg Katriota, genannt Skanderbeg die Stadt von den Osmanen, die sie im Jahr 1415 erobert hatten. Danach diente die Festung viele Jahrzehnte als Ausgangspunkt der Verteidigung Albaniens gegen die osmanischen Armeen. Erst nach dem Tod Skanderbegs konnten die Osmanen Kruja und nach mehreren Versuchen auch ganz Albanien unter ihre Herrschaft bringen und mehr als 400 Jahre regieren. Bei unserem Spaziergang kommen wir auch an der im 16. Jahrhundert errichteten Basar-Moschee vorbei, die der Anweisung zur Vernichtung aller Moscheen und Kirchen unter dem kommunistischen Diktator Enver Hoxha im Jahr 1967 entkommen ist. Wir werden eingeladen, sie uns anzuschauen, was unsere Vorstellung von muslimischer Geschlechtertrennung in Moscheen über den Haufen wirft. Denn da es keinen separaten Eingang für Frauen gibt, betreten wir das Gebäude über den Haupteingang. In Albanien haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Religionen friedlich nebeneinander existieren können.
Die Sonne brennt unermüdlich auf uns herab und ihre Hitze klebt zwischen den Häusern und auf unserer Haut. Deshalb wird diese Tour eher kurz und wir sind dankbar für die abendliche erfrischende Dusche.
Am nächsten Tag brechen wir auf, um den „Hausberg Krujas“, den Mali i Krujes zu erklimmen. Dabei folgen wir einem alten Pilgerpfad, der zum Bektashi-Tempel auf dem Gipfel des Berges führt. Wir haben großes Glück, denn Wolken versperren der Sonne die direkte Sicht, so dass es zwar warm ist, wir aber nicht noch zusätzlich von der Sonne gebraten werden. Der Weg bietet kaum Schatten, dafür aber fantastische Aussichten. Von hier oben können wir bis nach Tirana schauen, dass nur rund 35 Kilometer südlich von Kruja liegt.
Sandra und Guido und auch einige andere Camper aus der Schweiz haben uns gesagt, dass die Strecke locker in 1,5 Stunden zu schaffen ist. Da wir wissen, dass solche Zeitangaben für uns nur bergab gelten, planen wir bergauf vorsichtshalber die doppelte Zeit ein, was sich als sehr vorausschauend herausstellt.
Der Blick von ganz oben ist fantastisch und noch besser, da wir ihn uns erarbeitet haben. Auf der anderen Bergseite gibt es eine Zufahrtstraße, durch die es auch möglich ist, bequem im Auto den Gipfel zu erreichen.
In den Fels wurde 1991 ein Wallfahrtsort der Bektashi-Tekke Sari Salltik errichtet, der jährlich viele Moslems und Christen anzieht. Sari Salltik lebte im 13. Jahrhundert und war ein Bektashi-Heiliger, der lange vor Ankunft der Osmanen den Islam auf dem Balkan predigte. Der Bektashi-Orden entstand im 13. Jahrhundert und vermischte christliche und islamische Bräuche. So ist es zum Beispiel erlaubt, Bilder aufzuhängen und Kerzen anzuzünden.
Als wir den Berg wieder hinabsteigen, flitzt vor uns eine kleine grün leuchtende Eidechse davon und versteckt sich zwischen den Steinen. Silkes Fotoblick entkommt sie aber nicht.
28. – 29. April 2022