Heute morgen kommt endlich wieder die Sonne raus. Über dem Mittelmeer hat sich ein Regenwirbel gebildet, der sich dreht und dreht und dreht und Unmengen an Wasser auf die Erde schüttet. Und da er nicht abzieht, sondern sich immer weiter über uns dreht, gibt es Stunden, in denen wir keinen Fuß vor die Tür setzen wollen. Für diese Jahreszeit ist es auch eindeutig zu kalt. Auch wenn wir merken, dass wir uns immer besser an diese Temperaturen anpassen, ist das mal seichte, mal heftige Hämmern des Regens auf dem Dach doch langsam nervig. Vor allem, wenn es uns nachts weckt. Mein Verständnis für die Dauercamper, die über ihrem Wohnwagen ein extra Dach gebaut haben, steigt in diesen Stunden rasant. Heute jedoch scheint die Sonne. Endlich.

Wir stehen fast allein auf dem Campingplatz

Und wir haben einen Termin: 11 Uhr im Kolosseum. Die Metro hält genau darunter und wir lassen uns von den Rolltreppen ans Tageslicht befördern. Da wir die Tickets schon haben, durchlaufen wir sehr schnell die Prozeduren: Green Pass zeigen, durch die Sicherheitskontrolle gehen und Audioguide abholen. Dann sind wir in dem Bauwerk, dass bereits seit über 1.900 Jahren an dieser Stelle steht. Es geht über eine ziemlich steile Treppe hinauf in den ersten Stock.

Inzwischen stützen Stahlpfeiler die Seitenwände des Bauwerks.

Dort sind Tafeln und Schaukästen aufgestellt, in denen alle möglichen Fundstücke zu sehen sind, die im Kolosseum gefunden wurden: Tierknochen, Waffen, Überreste von Holzkonstruktionen. Anhand dieser Fundstücke konnten Funktionsweisen und ganze Geschichten aus früheren Zeiten rekonstruiert werden. So war uns neu, dass das Bauwerk auch immer wieder zweckentfremdet wurde. Von Gladiatorenkämpfen, Tierhetzen und großen Veranstaltungen hatten wir natürlich schon gehört. Neu war uns, dass es zu anderen Zeiten als Wohnraum und für Stallungen genutzt wurde. Seine Mauern wurden abgetragen und als Baumaterial verwendet und mehrere Erdbeben zerstörten es zusätzlich. Heute braucht man schon ein bisschen Fantasie, um das ganze Ausmaß der einstigen Anlage zu erfassen.

Der Sitzplatz in der Arena richtete sich nach der Stellung in der Gesellschaft – je niedriger desto höher mussten die Menschen steigen.
50.000 Menschen passten in das Kolosseum. Der Eintritt war zur Römerzeit frei.

Die Besucherzahlen heute sind überschaubar und so haben wir genug Zeit und Raum, alles auf uns wirken zu lassen. Aber wir stellen auch fest, dass wir in der Arena in Verona noch sehr viel tiefer in das Gefühl für die Geschichte eintauchen konnten. Sie ist zwar wesentlich kleiner, aber da sie noch genutzt wird und deshalb gut erhalten ist, konnten wir uns noch besser vorstellen, wie es sich angefühlt haben muss.

Am neugierigsten war ich immer, die Konstruktion unterhalb des Arenabodens zu sehen. Doch als ich nun die Steingänge sehe, fällt es mir noch schwerer, mir die Techniken vorzustellen, die die Zuschauer von einst so fasziniert haben müssen.

Der Raum unterhalb des Arenabodens war zu Beginn nicht bebaut und konnte geflutet werden. Dadurch waren sogar Seeschlachten möglich.

Irgendwann – wir waren sicher wieder eine gute Stunde im Kolosseum – verlassen wir es und laufen zum Tempel der Venus und der Roma – dem größten antiken Tempel Roms. Viel ist hier aus unserer Sicht nicht zu sehen und so schauen wir wie die meisten Besucher von dort noch einmal auf das Kolosseum.

Von hier haben wir mit dem Fernglas auch nach den Stellen gesucht, an denen das Sonnensegel angebracht war.

Danach bummeln wir durch das Forum Romanum, die wichtigste antike Ausgrabungsstätte in der Stadt. Beim Forum Romanum handelt es sich um einen antiken Marktplatz, der seit 1788 sukzessive von Forschenden freigelegt wird. Den schönsten Blick darauf erhalten wir wieder einmal von oben.

Wir genießen die Sonne und laufen durch die Stadt Richtung Pantheon. Dabei finden wir eines der wenigen weihnachtlich geschmückten Häuser.

Das Pantheon wurde vermutlich erbaut als ein allen Göttern geweihtes Heiligtum. Seit dem 6. Jahrhundert nach Christus als christliche Kirche genutzt trägt es heute auch den Namen Santa Maria ad Martyres. Wir sind von diesem Bauwerk fasziniert. Vor allem die Kuppel, die rund 1.700 Jahre als die größte Kuppel der Welt galt, ist beeindruckend.

Eingangsportal zum Pantheon
Durch das Loch in der Kuppel haben die Menschen eine direkte Verbindung zu den Göttern.

Der wohl bekannteste „Bewohner“ im Pantheon ist Raffael – er ist hier begraben. Anders als andere Kirchen Roms, befindet sich das Pantheon im Eigentum des italienischen Staates.

Unsere letzte Station ist der Trevi-Brunnen. Spätestens seit Anita Ekbergs und Marcello Mastroiannis Bad im Film „La dolce vita“ der wohl bekannteste Brunnen der Welt. Wie so vieles auf unserer Rom-Tour erscheint uns auch der Brunnen in der Realität kleiner als in unserer Vorstellung. Und dabei hat er schon eine beachtliche Größe mit rund 26 Metern Höhe und 50 Metern Breite.

Es ist einiges los am Brunnen und wir haben wieder Gelegenheit, uns Posen für die Kamera abzuschauen. Wobei wir für einige Drehungen des Rückens erst ein paar Yoga-Dehnungen machen müssten. Älter werden ist eben nur was für Fortgeschrittene.

Auf unserem Weg zurück zur Metro finden wir noch das jüdische Viertel und den Circus Maximus.

Circus Maximus

Über diesem finden sich gerade tausende Stare ein, um hier zu übernachten. Das Schauspiel, dass wir dann sehen ist überaus beeindruckend.

Zumindest so lange, bis wir unter den Bäumen sind, auf denen die Vögel Platz nehmen. Mit einem Schlag regnet es auf uns herab, aber kein Wasser. Wir nehmen die Beine in die Hand und fliehen in die Metro. So spektakulär die Formationen sind, die die Vogelschwärme am Himmel zeichnen, so unschön ist es für die Römer, die schon seit Jahren unter dem Dreck, den sie hinterlassen, leiden.

29. November 2021