Direkt unterhalb der Altstadt von Sighișoara (deutsch Schäßburg, ungarisch Segesvár) gibt es einen riesigen Parkplatz, auf dem wir es uns gemütlich machen. Es ist noch nicht so spät und laut Park4Night möglich, hier auch zu übernachten. Direkt ums Eck finden wir einen Frisörsalon. Inzwischen können wir uns fast schon Zöpfe flechten, es ist also höchste Zeit, Abhilfe zu schaffen. Wir vereinbaren einen Termin für den nächsten Morgen.

Dann bummeln wir durch die gut erhaltene, mittelalterliche Altstadt. Wie viele andere Orte in Siebenbürgen wurde auch Sighișoara in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts von den Siebenbürger Sachsen gegründet. Der Gründungstag von Sighișoara wird auf den 24. März 1191 datiert, als der ungarische König Béla III. den Siedlern das Stadtrecht verlieh. Die Stadt wurde auf einem Hügel am Fluss Târnava Mare erbaut und war strategisch günstig gelegen. Sie ist eine der wenigen weltweit noch vollständig erhalteten mittelalterlichen Städte und seit 1999 UNESCO Weltkulturerbe.

Warum das so ist, sehen wir beim Aufstieg in die Altstadt. Wir sind umgeben von Häusern, deren Aura Geschichte ausstrahlt. In den 1970er und 1980er Jahren wurde der Altstadt Sighișoaras der Status als historisches und kulturelles Erbe anerkannt, was ihr auch in Zeiten der Ceaușescu-Ära einen gewissen Schutz brachte. Ähnlich wie mancherorts in der ehemaligen DDR war es möglicherweise auch viel Glück, dass die Stadt ihr mittelalterliches Flair erhalten konnte.

Mittlerweile ist Sighișoara eines der wichtigsten touristischen Ziele Rumäniens. Und das liegt auch an Vlad Tepes, der in einem der Häuser 1431 geboren sein soll. Natürlich besuchen wir sein Denkmal und bummeln zu seinem Geburtshaus. Dies beherbergt heute ein Restaurant und ist eine Touristenattraktion.

Wir gehen nicht hinein, sondern suchen uns ein anderes Restaurant.

Geburtshaus von Dracula

Der Stundturm ist ein Wahrzeichen von Sighișoara und steht am Hauptplatz. Er wurde im 14. Jahrhundert errichtet und beherbergt eine mechanische Uhr, die noch immer funktioniert. Der Uhrturm soll einen großartigen Ausblick auf die Altstadt bieten. Da wir aber mal wieder etwas spät dran sind, haben wir die Turm-Besteigung für den nächsten Besuch aufgehoben.

Stundturm

Am nächsten Morgen lassen wir Federn – äh Haare. Eine Kundin des Salons kann sogar deutsch. Und während meine Haare von der Azubine gekürzt werden, unterhält sich Silke angeregt mit ihr. Sie wurde in Sighișoara geboren, arbeitet aber bereits seit einigen Jahren in Deutschland. Aktuell verbringt sie ihren Urlaub in der Heimat.

Danach erklimmen wir die Schülertreppe (rumänisch: „Scara Școlarilor“). Sie wurde 1642 erbaut und verbindet die Unterstadt, wo sich die Schulen befanden mit der Oberstadt, in der die meisten Wohnhäuser standen. Die Treppe erhielt ihren Namen von den Schülern, die mit ihrer Hilfe leichter Zugang zu den Schulen erhielten.

Wir steigen die 175 ziemlich steilen Stufen hinauf und kommen nicht nur wegen der Hitze mächtig ins schnaufen. Aber die Anstrengungen lohnen sich. Wir erreichen die Bergkirche, die den höchsten Punkt der Altstadt bildet.

Schülertreppe

Die Kirche selbst ist verschlossen aber direkt neben der Bergkirche liegt der deutsche Friedhof. Hier können wir die siebenbürgische Vergangenheit das erste Mal wirklich spüren. Denn auf den Grabsteinen stehen Vornamen wie Helene, Johanna, Karl oder Andreas und Nachnamen wie Weber, Scheibner Graff oder Keller. Und auch wenn viele Siebenbürger ihre Heimat inzwischen verlassen haben- der Friedhof ist gut gepflegt.

deutscher Friedhof auf dem Schulberg
Blick vom Schulberg zur Kathedrale „Heilige Dreifaltigkeit“ – gebaut zwischen 1934 und 1937
links das venezianische Haus
Das Haus mit dem Hirschgeweih. Im Hintergrund zwischen den Bäumen die Bergkirche.

Noch einmal laufen wir durch die Altstadt zurück zum Parkplatz auf dem Laika steht. Hier treffen wir Kerstin, die für ein paar Monate in einem gemeinnützigen Projekt in der näheren Umgebung arbeitet. Im Moment sind ihre Eltern zu Besuch und sie planen eine kleine Rundreise. Da auch Kerstin noch nicht alles erkundet hat, können wir ihr ein paar Tipps geben, was sich aus unserer Sicht anzuschauen lohnt.

30. Juni – 01. Juli 2022