Nach dem Gebirge zieht es uns wieder hinab ans Meer. Oft schauen wir nur auf die Karte, wo es schön sein könnte und fahren dann einfach dahin. Eine Reiseplanung haben wir nicht, Reiseführer haben wir in den Buchhandlungen gelassen. Und da Internet in den Ländern dank Prepaid-Karte kein Problem ist, schauen wir online nach dem Weg.

Und täglich grüßt das Murmeltier.

Wir haben uns für einen Schlafplatz an einem See entschieden, knapp 60 Kilometer vom Camp entfernt. Wieder führt uns der Weg ein Tal entlang, in welchem der Fluss Mat zum Shkopet-See gestaut wurde. Er endet am Ulza-Stausee, an dem unser gewählter Stellplatz liegt.

Als wir ankommen, überzeugt er uns jedoch nicht. Er ist direkt an der Staumauer des Sees und recht abschüssig. Also fahren wir die ganze Strecke weder zurück und weiter Richtung Küste.

Wir entscheiden uns für das Reservat Kune-Vain bei Tale. Auf dem Weg dorthin passieren wir eine riesige Bunkeranlage, die langsam vor sich hin bröselt. Sie wurde dem Zahn der Zeit überlassen. In einigen der Bunker überwintern die Sonnenschirme der Strandbars.

Begegneten wir bisher vorwiegend den kleinen „Pilz“-Bunkern – die zwar absurd in ihrer Funktion sind aber auch irgendwie witzig aussehen, ist diese Anlage sehr massiv und wehrhaft. Sie vermittelt auch heute noch den Eindruck, dass niemand Albanien vom Meer aus hätte einnehmen können.

Die Anlage ist ein beredtes Zeugnis, mit welcher Kraft und Ernsthaftigkeit Enver Hoxha die Verteidigung seines Landes vorantrieb.

Nicht weit von der Bunkeranlage entfernt, finden wir ein ruhiges Plätzchen direkt am Meer.

Und bekommen einen beeindruckenden Sonnenuntergang als Abendprogramm.

Kurz danach beginnt es um uns herum zu bellen und zu heulen. Es sind Goldschakale, die in einem bereits total bewucherten „Pilz“-Bunker ihr zu Hause eingerichtet haben. Wir sehen eine Mutter mit mehreren Jungtieren, die sich auf die Jagd begeben.

Am nächsten Tag wollen wir nach Theth, einem Dorf auf bis zu 950 Metern Höhe. Im Winter ist es meist über mehrere Monate von der Außenwelt abgeschnitten aber jetzt im Frühling hoffen wir, es zu erreichen.

Die ersten Kilometer laufen gut und wir halten immer wieder an, um die beeindruckende Bergkulisse zu genießen.

Je höher wir kommen, desto näher kommen wir auch dem Winter. Die Straßen sind weitestgehend frei aber die Schneefelder an den Rändern werden immer höher.

Und je weiter wir kommen, umso mehr werden die Spuren sichtbar, die der Schnee im Laufe des Winters auf und an den Straßen hinterlassen hat. Abgerutschte Hänge, verbogene oder abgestürzte Leitplanken. Und uns wird immer mulmiger. Deshalb beschließen wir rund zehn Kilometer vor Theth auf unser Bauchgefühl zu hören und wieder umzukehren. Denn unser Bauchgefühl hat uns bisher sehr gut geleitet.

Auch wenn wir das eigentliche Ziel nicht erreicht haben – die Aussichten waren alle Anstrengungen wert.

Wieder unten im Tal freuen wir uns noch mehr über unsere Entscheidung, denn es wölkt zu.

Bevor ein heftiger Regen- und Hagelschauer niedergeht und in kürzester Zeit die Teerstraße in eine Wasserstraße verwandelt. Und wir sind noch einmal froh, jetzt nicht in ein Schneegestöber weiter oben geraten zu sein.

Am Ende landen wir im „Lake Shkodra Resort„, einem Campingplatz am größten See der Balkanhalbinsel. Hier bleiben wir zwei Nächte. Am zweiten Tag erreicht eine geführte Wohnmobiltour den Platz. Innerhalb von fünf Minuten werden wir von rund zehn Wohnmobilen regelrecht umstellt. Die Reisegruppe bleibt aber unter sich und am nächsten Morgen fahren sie kurz nach 8 Uhr weiter zum nächsten Ziel.

Und wir genießen die Ruhe am Shkodra-See.

30. April – 01. Mai 2022