Rund 33 Kilometer sind es bis zu unserem nächsten Stopp: Drivers Beach. Er wird in der App in den höchsten Tönen gelobt und liegt ein Stück näher an unserem nächsten Ziel Nessebar. An diesem Abend stehen wir allein auf dem Strand direkt neben der Straße. Drivers Beach ist ein offizieller Badestrand. In der Saison verbringen viele Einheimische hier ihren Tag am Meer. Noch ist es ruhig und nur hin und wieder hält ein PKW am Straßenrand, aus dem Strandbummler aussteigen.
Die Straße führt zu einigen Hotels mit angeschlossenem Sandstrand. Immer wieder rauschen Autos an uns vorbei. Manche davon – vor allem größere Autos oder LKWs bringen Laika zum schaukeln, denn nicht alle halten sich an die erlaubten 50 km/h. Das hatten wir zuvor in unserer App über diesen Platz gelesen aber auch, dass es in der Nacht sehr ruhig wird. So ist es dann auch. Nach Sonnenuntergang kommt der Verkehr fast zum erliegen und wir haben sehr gut geschlafen.
Am nächsten Morgen fahren wir die rund 75 Kilometer weiter nach Nessebar. Direkt unterhalb der Altstadt wird uns ein Parkplatz angezeigt, der in unserer App sogar als Übernachtungsplatz gekennzeichnet ist. Wir sind zeitig genug da und finden einen schönen Platz direkt an der Mole. Ein paar Stufen führen hinauf in die Altstadt.
Den offiziellen Namen Nessebar trägt die Stadt erst seit 1935. Doch eine Besiedelung ist an dieser Stelle bereits seit 2.500 Jahren nachweisbar. Die ersten Siedler waren im späten 6. Jahrhundert v. Chr. die Thraker, eine Gruppe von Stämmen im südöstlichen Teil der Balkanhalbinsel. Der bekannteste von ihnen ist vermutlich Spartakus, der mit seiner Rebellion gegen die Römer in die Geschichte einging. Bis heute hat sich nur wenig von den Thrakern überliefert. Ihre Kultur und Lebensweise verschmolz mit den Kulturen nachfolgender Zivilisationen.
Nach den Thrakern folgten die Griechen, die Römer und die Byzantiner und die Bedeutung der Stadt veränderte sich im Laufe der Geschichte. Unter den Griechen war Mesembria – so ihr griechischer Name – ein bedeutendes Handelszentrum mit eigener Flotte. Es wurden Theater, Tempel und sogar eine Festung gebaut. Mit der Eroberung durch die Römer verlor die Stadt ihre Bedeutung und sollte sie erst wieder unter der byzantinischen Herrschaft wiedererlangen.
Es ist bemerkenswert, dass so viele Gebäude der unterschiedlichen Epochen den Lauf der Geschichte überstanden haben. Auch deshalb erhielt Nessebar den Titel eines UNESCO Weltkultur- und Naturerbes. Einst soll es auf der kleinen Halbinsel vierzig Kirchen gegeben haben, zehn davon sind zum Teil bis heute gut erhalten.
Wir bummeln durch die Innenstadt wie durch ein großes Freiluftmuseum. Es sind nur wenige Besucher da und wir haben die Stadt fast für uns allein.
Bis 1878 stand Nessebar unter osmanischer Herrschaft. Es ist deshalb sehr erstaunlich, dass viele Kirchenbauten auch unter ihrer Herrschaft kaum zerstört wurden.
Uns gefallen aber vor allem die Häuser im sogenannten „Schwarzmeer-Typus“ mit ihrem steinernen Erdgeschoss und den oberen Stockwerken aus Holz. Sie entstammen der Zeit der Bulgarischen Wiedergeburt, als sich die Bulgaren nach und nach von den Osmanen befreiten.
Wir entscheiden, wieder zurück zum Drivers Beach zu fahren, um auch noch Sosopol anzuschauen. Stadtbummel standen ursprünglich nicht auf unserem Plan. Nessebar hat uns aber so gut gefallen, dass wir nun neugierig sind auf Sosopol.
An diesem Abend bekommen wir Besuch von einem älteren Pärchen. Sie sehen unser deutsches Nummernschild und sprechen uns an. Beim plaudern erfahren wir, dass er aus Bulgarien stammt aber viele Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet hat. Heute, als Rentner, haben beide entschieden, nach Bulgarien zu ziehen. Wir sind neugierig und fragen unter anderem, wie die medizinische Versorgung im Land so ist. Die beiden sind hellauf begeistert. Egal wo, sie werden bei Ärzten stets mit offenen Armen empfangen und erhalten beinahe die Behandlung eines Privatpatienten. Das überrascht uns, haben wir doch von schlimmen Zuständen gehört, die z.B. durch Covid vor wenigen Monaten noch geherrscht haben sollen: Warteschlangen vor den Krankenhäusern und viele Menschen, für die jede Hilfe zu spät kam. Das können uns die beiden nicht bestätigen. Im Gegenteil: mit ihrer deutschen Krankenversicherung werden sie in Bulgarien sehr gut betreut.
Nicht ganz das, was wir erwartet haben. Wir hatten gehofft, mehr über die echten Lebensumstände der Menschen hier zu erfahren.
Ich weiß nicht mehr, was genau ich gesucht habe, aber als ich wenig später die Klappe von Laikas „Keller“ öffne, löst diese sich aus ihrer Halterung und kracht mir direkt auf den Kopf. Es wummert in meinem Schädel und vibriert bis in meine Zähne. Zum Glück haben wir zufällig gefrorenes Gemüse in unserem Eisfach. Das lege ich mir zum kühlen auf den Kopf.
31. Mai 2022