Es sind zwar noch ein paar Tage, aber der Abschied von Vancouver Island und auch von Kanada steht bevor. Ich nehme das Tempo raus, hab keine Lust mehr, jeden Tag viele Kilometer zu fahren. Ich buche die Fähre, die mich in zwei Tagen zurück nach Vancouver bringen wird. Dabei entscheide ich mich diesmal für die kleinere Route von Duke Point auf der Insel nach Tsawassen im Süden von Vancouver. Knapp 100 Dollar – rund 62 Euro kostet mich diese Überfahrt. Dann buche ich noch den Stellplatz für meine letzte Nacht auf dem kanadischen Festland, was mich noch einmal knapp 100 Dollar kostet. Aber so bin ich in der Nähe des Ortes, an dem ich das Wohnmobil wieder abgebe. Wobei in der Nähe hier eine eigene Bedeutung hat.

Jetzt habe ich noch zwei Tage auf der Insel und keinen Plan, was ich mit der Zeit anfangen soll. Erst einmal muss ich wieder zurück auf die andere Seite. Ich verstaue meine Sachen, mach den letzten „Stewardess-Check“ und fahre los. Die Strecke kenne ich inzwischen recht gut. Als ich am Cathedral Grove vorbeikomme, sind wieder alle Parkplätze belegt. Vermutlich sollte ich den Weg diesmal noch nicht laufen. Aber ich komme ja wieder – das habe ich fest beschlossen.

Unterwegs suche ich nach Plätzen, die sich nach bleiben anfühlen, aber ich finde keinen. Selbst der wirklich schöne Sproat Lake in der Nähe von Alberni kann mich nicht überzeugen. Obwohl er gute Argumente, wie einen direkt am See gelegenen Campingplatz hat. Als ich an seinem Ufer stehe, bin ich plötzlich sicher, dass ich zurück zum Pazifik will. Denn es wird vermutlich eine Weile dauern, bis ich diesen Ozean das nächste Mal sehe. Es fühlt sich gut an, ein Ziel zu haben und nicht so unentschlossen unterwegs zu sein. Meine letzte Nacht will ich wieder auf dem Campingplatz in Nanaimo verbringen, aber diese eine habe ich noch. Schließlich lande ich in Parksville auf dem „Rathtrevor Beach Provincial Park Campground“. Nur 35 Dollar kostet mich diese Übernachtung, denn der gesamte Campingplatz hat nur Stellplätze ohne Strom und liegt mitten im gemäßigten Regenwald an der Strait of Georgia.

Ebbe auf Vancouver Island

Die Parzellen sind großzügig angelegt und verfügen – wie alle Plätze bisher – über eine Feuerschale und einen Picknicktisch mit zwei Bänken. Die Nachbarn kann ich zwar sehen aber sie sind weit genug entfernt, um Privatsphäre zu haben. Dann laufe ich Richtung Strand. Zumindest denke ich das. Bis ich bemerke, dass ich trotz Karte in die falsche Richtung gelaufen bin, habe ich bereits gut einen Kilometer hinter mich gebracht. Aber schließlich erreiche ich den Waldrand und den Strand.

Wander- und Radweg

Hier herrscht im wahrsten Sinne des Wortes Ebbe. Denn der Tidenhub beträgt an dieser Stelle Vancouver Islands rund 2 bis 3 Meter. Dadurch zieht sich das Wasser auf Grund der flachen Küste bis zu einen Kilometer zurück. Dabei hinterlässt es Muscheln, Krabben und Fische, die Vögel und andere Tiere anziehen. Es ist früher Nachmittag und ich bummle am Strand entlang bis zu den am Meer liegenden Ferienwohnungen und Häusern von Parksville. Um baden zu gehen, muss man hier erst eine ziemliche Strecke zurücklegen. Vermutlich breitet sich das Gefühl, am Meer zu sein, nur an wenigen Stunden pro Tag aus.

Ebbe bei Parksville Beach
Ebbe bei Parksville Beach
Parksville Beach

Auf meinem Rückweg beobachte ich einen Reiher, dem das Wasser bis zum Bauch steht. Unbewegt wartet er auf einen arglos vorbeischwimmenden Fisch, um dann pfeilschnell zuzuschlagen. Er ist erfolgreich, verschlingt seine Beute und steht danach wieder unbewegt im Wasser für den nächsten Fang. Diese Vögel kann ich auch zu Hause beobachten und bin jedes Mal fasziniert von ihrer Art des Jagens.

Kanadareiher
Kanadareiher

Ein bisschen vermisse ich das Wasser, dass noch immer weit vom Ufer entfernt ist. Inzwischen hat die Flut eingesetzt, aber es wird noch bis zur Dunkelheit dauern, bis die Wellen wieder am Strand plätschern. Und vermutlich werde ich es sogar verschlafen. Die High Tide – also der höchste Wasserstand der Flut ist mitten in der Nacht. Ich beschließe, morgen früh wieder zum Strand zu gehen. Bis 11 Uhr habe ich Zeit, dann muss ich den Campingplatz verlassen.

Als ich am nächsten Morgen zum Strand ankomme, ist das Wasser schon wieder auf dem Rückzug. Ich setze mich auf einen der dicken Baumstämme, die hier überall an der Küste verteilt liegen. Wieder einmal frage ich mich, welche Kraft notwendig ist, diese schweren Stämme so weit zu schwemmen. Es müssen heftige Stürme mit ziemlich hohen Wellen gewesen sein.

Plötzlich sehe ich direkt vor mir auf einem Ast diesen kleinen Kolibri. Ich bin nicht sicher, aber es ist vermutlich ein junger Annakolibri. Diese Vögel finde ich höchst faszinierend. Sie sind rund 10 Zentimeter lang mit einer Flügelspannweite von nur 12 Zentimetern. Ihr Herz schlägt im Ruhezustand zwischen 400 und 500 Mal pro Minute, was sich im Flug auf bis zu 1.260 Mal pro Minute erhöhen kann. Kein Wunder, dass die kleinen Tiere nur rund 3 Jahre Lebenszeit haben. 2017 wurde der Annakolibri zum offiziellen Vogel der Stadt Vancouver ernannt, da er dort das ganze Jahr bis zum Winter lebt.

Kolibri Kanada
Annakolibri?

Nicht weit davon entfernt entdecke ich Tierspuren im Sand. Eine davon ist ganz sicher ein Hirsch – vielleicht sogar ein Wapiti. Die andere jedoch sieht nach der Spur eines Bären aus. Sie ist ungefähr so groß wie meine Hand und ihre scharfen Krallen sind deutlich zu erkennen. Die Spuren sind frisch, ziemlich sicher aus der vergangenen Nacht. Wer weiß, vielleicht ist ein Bär auch direkt an meinen Haus auf vier Rädern vorbeigekommen, während ich ahnungslos drin geschlafen habe.

Wapiti-Spur
Bärenspur?

Mein letzter Stellplatz auf Vancouver Island wird wieder der „Living Forest Oceanside Campground“ in Nainamo sein – nur rund eine halbe Stunde entfernt von Parksville. Ich lasse mir Zeit, parke alle paar Minuten auf den Parkplätzen entlang der Küste und schaue auf die Wellen. Es ist mein Abschied von Vancouver Island, das mich so sehr beeindruckt hat. Und die noch so viel mehr zu bieten hat, als ich in dieser kurzen Zeit sehen konnte. Die Fahrt zum Campingplatz kenne ich schon, es ist ein schönes Gefühl, zu etwas vertrautem zurückzukehren. Die meisten Tage war ich an unterschiedlichen Orten. Die Wege waren mir unbekannt, die Orte auch und ich musste immer erst mal schauen, wo sich alles befindet und wie sich das anfühlt. Das ist einerseits spannend, aber andererseits auch herausfordernd. Jetzt buche ich den selben Stellplatz, auf dem ich ein paar Tage zuvor schon gestanden habe – direkt an der Mündung des Nainamo River in den Pazifik. Und ich folge der Empfehlung von Angela und Kevin, die ich beim letzten Mal an dieser Stelle getroffen habe. Um den Campingplatz herum gibt es einen kleinen Rundweg, von dessen Aussichtspunkten man das Mündungsgebiet des Flusses schön sehen kann. Der Weg führt über Wurzeln und Steine und ich bekomme noch einmal einen kleinen – oder sagen wir winzigen – Eindruck der kanadischen Wildnis. Auch wenn sie hier schon sehr aufgeräumt ist.

Campground Trail
Mündung des Nainamo River in die Strait of Georgia

Hier begegne ich Kanada-Gänsen. Es sind die Vögel, die ich vermutlich am häufigsten auf der Tour gesehen habe. Sie sind mit ihren Jungen unterwegs. Und obwohl ich zuerst da war und sie erst danach in meine Richtung geschwommen sind, machen sie mir unmissverständlich klar, dass ich verschwinden soll und sie zu allem bereit sind, um ihre Jungen zu beschützen. Ich schieße noch ein letztes Bild von den aufgebrachten Eltern, dann ziehe ich mich in den Wald zurück. Eine Diskussion hätte ich definitiv verloren.

Kanada-Gänse – in heller Aufregung

Überfahrt

Viel mehr passiert nicht an diesem Tag. Ich packe meine Sachen in die Reisetasche und räume Besteck, Geschirr und Kochequipment wieder an ihren dafür vorgesehen Platz. Dann schreibe ich weiter an meinem Blog und sehe mir einen „Tatort“ an. Ich bin vorbereitet. Morgen geht es zur Fähre und zurück nach Vancouver. Schon 7:45 Uhr legt sie ab. Alle späteren Fährverbindungen waren bereits ausgebucht. Nur für 7:45 Uhr morgens und 20 Uhr abends gab es noch freie Plätze. Da ich nicht erst in der Nacht auf meinem Stellplatz ankommen will heißt es für mich zeitig aufstehen. Spätestens eine halbe Stunde vor Abfahrt soll ich am Terminal sein und die Fahrt bis dahin dauert rund 20 Minuten. Kurz nach 5 Uhr werde ich wach und kurz nach 6 Uhr fahre ich los. Frühstücken kann ich am Terminal in Duke Point.

anstehen an der Fähre
auf der Fähre nach Vancouver
Abfahrt von Duke Point auf Vancouver Island

Die Fahrt dauert rund zwei Stunden. Nach ungefähr der Hälfte verändert sich das Wasser schlagartig von blau zu graubraun. Hier mündet der Fraser River in die Strait of Georgia. Er ist mit 1.375 Kilometern der längste Fluss British Columbias. Über das Jahr nimmt er auf seinem Weg zum Meer rund 20 Tonnen Sedimente mit, die er südlich von Vancouver ins Meer entwässert. Damit ist er einer der wichtigsten Nährstofflieferanten. Und für uns ist es ein spektakuläres Schauspiel.

Sedimente im Meer
Ankunft Vancouver

Vancouver

Als ich in Vancouver ankomme, ist es kurz vor 10 Uhr und somit recht früh am Morgen. Meinen Stellplatz für die Nacht habe ich bereits gebucht, ich muss mich um nichts kümmern und habe noch Zeit. Ein Stadtbummel kommt für mich noch immer nicht in Frage. Ich habe keine Lust auf viele Menschen. Wie schon die letzten drei Wochen nicht. Aber ich überlege, zur UBC – der University of British Columbia zu fahren. Die ist im Norden der Stadt und damit genau gegenüber meines aktuellen Standorts. Vor meiner Abreise hat mich eine Freundin gefragt, ob ich ihr vielleicht etwas von der Uni mitbringen kann. Sie hat dort für ein Jahr studiert und hätte gern wieder den blauen Hoodie mit den gelben Initialen. Diesen Wunsch möchte ich ihr gern erfüllen und nebenbei kann ich zumindest im vorbeifahren ein paar Stadt-Eindrücke sammeln. Ich starte den Motor und begebe mich auf die rund 33 Kilometer lange Fahrt nach Norden.

Als ich ankomme habe ich Glück und finde direkt vor dem Eingang des Shops einen Parkplatz. Und ja, es ist ein richtiger Laden, ungefähr so groß wie unsere H&M´s oder Peek & Cloppenburg´s. Die Auswahl im Inneren überwältigt mich. Es gibt Tassen, Spiele, Bücher, Armbänder, Ketten und natürlich Shirts und Hoodies in allen möglichen Farben und Größen – alle mit dem Aufdruck der Uni. Bei diesem vielfältigen Angebot bin ich froh über die genaue Anweisung, nach welchem Hoodie ich Ausschau halten soll. Ich finde ihn auch ziemlich schnell und nach einer kurzen Abstimmung per WhatsApp trage ich ihn stolz und glücklich aus dem Laden. Mission completed.

Dann fahre ich die gleiche Strecke wieder zurück. Ich verspüre Lust, den letzten Tag in Kanada noch ein bisschen zu shoppen. In der Nähe meines Stellplatzes gibt es einen Laden, der von außen wie ein riesiger Outdoor-Shop wirkt. Da will ich hin. Der Parkplatz davor ist riesig – ich stelle meinen Camper nah am Eingang ab und betrete den Laden.

Auch der ist riesig und hat sich auf alle denkbaren Outdoor-Aktivitäten spezialisiert: neben Camping, Boot fahren, Wassersport und angeln auch auf jagen und Waffen. Hier findet man alles, was man für´s draußen sein braucht. Die Dekoration ist beeindruckend, ein Teil der Decke ist das Abbild der kanadischen Wildnis.

Trotz des großen Angebots finde ich nichts. Ich gehe zum Hintereingang und bin ich der Tsawwassen Mills – ein über 90.000 Quadratmeter großes Einkaufszentrum. Eine gute Stunde bummle ich durch die Gänge und Shops, dann zieht es mich zurück. Einkaufen kann ich nur dosiert. Inzwischen habe ich mich auch ein bisschen verlaufen. Ich werfe den Hänsel und Gretel-Modus an und folge den Brotkrumen – in meinem Fall die einzelnen Shops – zurück zum Outdoor-Laden und raus zu meinem Camper.

Dann fahre ich die 2,5 Kilometer zum Tsawwassen RV Resort, meinem letzten Stellplatz für diese Reise. Der Platz fühlt sich an wie ein Dauercampingplatz. Die meisten Wohnwagen oder Busse scheinen hier längere Zeit zu stehen. Die Parzellen liegen ohne Sichtschutz nebeneinander und sind durch einen Streifen Sand markiert. Okay, das habe ich mir als Abschied irgendwie anders vorgestellt. Aber der Platz ist einer der wenigen, die nahe der Fähre und der Abgabestation für das Wohnmobil liegen. So dachte ich.

Heute würde ich anders entscheiden, denn ich muss am nächsten Tag noch immer gut 17 Kilometer fahren. Das reine Stadtgebiet Vancouvers umfasst rund 115 Quadratkilometer und ist somit kleiner als Berlin, dass sich über eine Fläche von rund 891 Quadratkilometern erstreckt. Vergleicht man jedoch die aus mehreren Gemeinden bestehende Metropolregion Vancouver, dann ist die Metro Vancouver genannte Region mit 2.877 Quadratkilometern deutlich größer. Ich hätte also durchaus einen richtigen Campingplatz buchen können und nicht ein reines RV Resort. Wieder etwas gelernt fürs nächste Mal.

Ich rufe die App von Air Canada auf, um mich einzuchecken. Mein Wunsch vom Hinflug geht leider nicht auf, denn alle Fensterplätze sind schon vergeben. Also schalte ich um, denke strategisch und buche einen Gangplatz neben einem noch freien Platz in der Mitte. Vielleicht habe ich Glück und er bleibt bis morgen frei. Dann hätte ich mehr Freiraum und wir sitzen nicht so eng wie die Ölsardinen.

Am nächsten Morgen starte ich das volle Programm und verbinde sogar den Abwasserschlauch noch einmal mit dem Einlass im Boden. Ich will alles ordentlich spülen und auch das gesamte Wasser im Tank ablassen. Ich vermute, dass es den Winter dort drin verbracht hat, denn es riecht inzwischen ziemlich brackig. Unterwegs habe ich kaum Wasser verbraucht, lediglich zum spülen. Zum kochen und trinken habe ich Wasser aus Flaschen genutzt und duschen war ich auf den Plätzen.

Dann kann ich meinen Nachbarn noch mein griechisches Olivenöl schenken. Das hatte ich am ersten Tag in Calgary gekauft und seitdem ungeöffnet durch Alberta und BC chauffiert. Sie freuen sich, denn ihr Olivenöl haben sie kurz vorher aufgebraucht. Der Abschied vom Camper war dann sehr unspektakulär. Der Hof von „Cruise Canada“ liegt mitten in einem Gewerbegebiet und als ich ankomme, werde ich auf einen Platz gewiesen. Die junge Frau schreibt lediglich den aktuellen Tachostand auf, dann soll ich meinen Stuhl und die Bettwäsche in dafür vorgesehene Container werfen. Das wars. Nach 20 gemeinsamen Tagen lasse ich mein zu Hause auf Zeit zurück. Einen kleinen Moment bin ich traurig. Ich habe mich wohl und sicher in seinem Bauch gefühlt und er hat mir sehr gute Dienste geleistet die letzten Tage. Bis auf den Steinschlag gab es keine Probleme. Er hat mich überall hin gefahren und wir sind wirklich gut miteinander klargekommen. Ich lasse mir ein Taxi rufen und warte vor dem Büro der Vermietungsstation.

Abschied

Rund eine halbe Stunde später bin ich am Flughafen. Jetzt heißt es warten. Da ich schon eingecheckt bin, kann ich meine Reisetasche an der automatischen Station aufgeben. Hier arbeitet Erika und hilft den Reisewilligen dabei. Wir kommen ins Gespräch und als sie hört, dass ich aus dem Osten Deutschlands bin, erzählt sie mir die Geschichte ihrer Familie. Ihr Vater ist gebürtig aus Eisenach und noch zu DDR-Zeiten erst in den Westen geflohen und gut ein Jahr später nach Kanada ausgewandert. Hier hat er ihre Mom kennengelernt, eine Angehörige eines indigenen Volkes. „Bei mir hat es sich gut gemischt.“ sagt sie. „Ich sehe aus wie mein Vater und rede wie meine Mutter.“ Ich vermute, sie meint Métis, einen Dialekt, der sich aus den Verbindungen der eingewanderten Europäer mit den indigenen Frauen entwickelt hat. Dabei vermischten sich Worte aus dem französischen, englischen und gälischen der Europäer mit der Sprache der indigenen Völker.

1985, erzählt sie weiter, war sie in der DDR, um Ihre Familie in Eisenach zu besuchen. Damals war noch „tiefste DDR-Zeit“ und an eine Wende oder gar Grenzöffnung nicht zu denken. „Wie wurden beobachtet“ sagt sie „das war wirklich gruselig.“ Sie traf dort auf einen jungen Mann, mit dem sie sich unterhalten hat. Als er ihr mit trauriger Stimme sagt, dass er in seinem Leben nie nach Kanada wird reisen können, wird ihr erst so richtig klar, wie eingeschränkt die Menschen in diesem Land sind. Das habe sie nachhaltig beeindruckt. Ich kenne das Gefühl des jungen Mannes sehr gut. Mein Traum war es damals, einmal im Leben die englische Sprache dort zu sprechen, wo sie zu Hause ist.

Irgendwann muss ich leider weiter aber sie fragt mich noch, ob ich denn zurückkommen will. „Auf jeden Fall“, sage ich „in zwei Jahren vielleicht.“ „Warum willst du so lange warten?“ fragt sie „Komm doch schon nächstes Jahr wieder. Dann besuchst du mich hier – ich bin da.“

Neun Stunden später betrete ich wieder deutschen Boden. Angefüllt mit großartigen Bildern und Erlebnissen. Kanada hat mir die Postkartenmotive gezeigt, die ich mir in meinen Träumen vorgestellt habe. Aber es hat mich auch überrascht. Dieses Land ist riesig, voller Weite und Freiraum. Es hat zahlreiche Seen, Meeresbuchten und Wildnis, in denen sich das Leben tummelt. 3.600 Kilometer von den 9.984.670 Quadratkilometern Gesamtfläche habe ich gesehen. Ich war in keiner größeren Stadt, habe kein Museum besucht und den einsamen Norden oder den französischen Teil kenne ich auch nicht. Ich habe noch nicht die Geschichten der Menschen gehört, die dieses Land ursprünglich bewohnten und derer, die es eroberten. Es gibt noch so viel zu sehen in diesem Land. Ich muss auf jeden Fall noch einmal hin. Bald.