So langsam wollen wir weiter, das nächste Land erkunden. Also schieben wir uns durch das städtische Getümmel in Shkodra Richtung Koman-Stausee.
Das fahren ist schon ein bisschen herausfordernd. Jede noch so kleine Lücke wird sofort von jedem noch so großen Auto befüllt. Aus drei Spuren werden vier plus Rad- und Fußweg. Und wenn der Fußweg zugeparkt ist, wird kurzerhand die Straße genutzt. Ein gutes Training für alle Reflexe.
So langsam lichtet sich der Verkehr und wir können die selbstgebauten Transportgefährte in aller Ruhe genießen. Von der Stadt selbst haben wir so zwar nur wenig gesehen aber das ist für uns in Ordnung. Manchmal braucht es auch einfach nur mal nichts, um sich neu zu sortieren.
Der Koman-Stausee ist Teil einer ganzen Reihe von Stauseen entlang des Flusses Drin. Er schlängelt sich rund 34 Kilometer durch das vom Drin gegrabene Tal und endet an der Staumauer des Fierza-Stausees weiter nördlich.
Unser Ziel ist ein Stellplatz direkt am See: Ledi´s Place. Was wir nicht erwartet haben war Urlaub auf dem Bauernhof mit angeschlossenem Restaurant und fantastischer Aussicht.
Alles an diesem Ort ist in liebevoller Handarbeit und mit den vor Ort vorhandenen Baumaterialien errichtet. Die ganze Familie kümmert sich um die Gäste – Mama kocht in der Küche, Papa macht mit dem jüngsten die Feldarbeit, die mittlere Tochter und der große Sohn sind Gastgeber und die kleineren Töchter kümmern sich um die Kinder der anderen Gäste.
Es ist einfach nur still an diesem Ort. Das Pferd der Familie zupft gemütlich die Grashalme rund um die Laika ab oder holt sich von uns einen Apfel.
Wir bespaßen die neu geborenen Katzen- und Hasenbabies.
Und jeden Morgen entscheiden wir, noch eine weitere Nacht zu bleiben.
Zum Frühstück gibt es gebackenes. Wir haben nicht herausgefunden, was es genau ist, aber es scheint Petulla zu sein – am besten zu beschreiben als Krapfen auf Joghurt-Basis. Dazu gibt es entweder Honig oder Schafskäse – beides ist sehr lecker.
Und jeden Abend verabschiedet sich die Sonne mit einem farbenfrohen Spektakel.
An unserem letzten Tag werden wir eingeladen zu einem Bootsausflug. Unser Kapitän ist schätzungsweise 12 Jahre jung und fährt uns routiniert über den See. Für die Kinder der Familie ist das Leben hier ein einziger Abenteuerspielplatz. Aber es ist auch ein anstrengendes Leben. Die Schule ist zwar nur drei Fluss-Biegungen entfernt aber für die nächste Einkaufsmöglichkeit müssen jedes Mal gut 16 Kilometer Pistenstraße gefahren werden. Die große Tochter geht auf das College in Shkodra, das rund 40 Kilometer entfernt ist.
Irgendwann müssen wir dann aber doch weiter, denn wir wollen in den Kosovo – ein weiteres für uns unbekanntes Land.
Vom Ledi´s Place haben wir zwei Optionen, um zur Grenze zu gelangen. Die erste ist die Fähre zwischen Koman und Fierza. Dafür müssten wir die SH25 weiterfahren, die schon bessere Zeiten erlebt hat. Die Strecke zum Ledi´s Place sind wir geschlichen, um den vielen Schlaglöchern und Verwerfungen auszuweichen. Die Fahrt bis zur Koman-Fähre ist noch einmal genauso lang. Und zugegeben sind wir uns auch nicht sicher, ob wir der Autofähre vertrauen sollen. Deshalb entscheiden wir uns für einen Umweg über zwei gelbe Straßen. Reichlich vier Stunden zeigt das Navi für die 180 Kilometer bis zum nächsten Campingplatz an.
Die Strecke führt uns ein ganzes Stück entlang des Flusses Drin und damit in das albanische Hinterland. Das hinterlässt bei uns einen eher vergessenen Eindruck und das nicht nur wegen des bewölkten Himmels. Waren Saranda und Ksamil in der neuen Zeit mit all den modernen Annehmlichkeiten angekommen, sind die Orte dieser Gegend eher trist, grau und vernachlässigt.
Die Natur jedoch scheint das alles ausgleichen zu wollen. Alles ist grün und bewaldet und der Koman-See schlängelt sich in endlosen Kurven durch das Tal.
Auch wir schlängeln uns über die Serpentinen an der Bergflanke entlang immer weiter nach Norden. Und erhalten wir immer wieder fantastische Ausblicke auf den See unter uns. Bis wir irgendwann die Staumauer des Sees erreichen.
In dem hier gebauten Wasserkraftwerk produzieren vier französische Turbinen einen Teil des albanischen Stroms. Allerdings musste die Stromproduktion in den vergangenen Jahren wegen Wasserknappheit zum Teil stark reduziert werden. Diese sinkenden Wasserspiegel werden uns auf unserer Reise leider weiter begleiten.
Nach dem Kraftwerk fahren wir noch einmal gut eine Stunde durch ein weiteres Tal, bevor wir die Grenze zum Kosovo erreichen.
Am Ende sind wir gut sechs Stunden unterwegs und einfach nur froh anzukommen.
01. – 06. Mai 2022