Heute haben wir etwas ganz besonderes vor: eine Fahrt mit der Wassertalbahn. Wir müssen uns sputen, denn das Kloster, an dem wir übernachten, liegt etwas abseits – rund 30 Minuten vom Bahnhof in Vișeu de Sus entfernt. Wir sind zeitig in Oberwischau, (ungarisch Felsővisó), wie der Ort auf Deutsch heißt, aber der große Parkplatz füllt sich schnell. Es sind Ferien und die Mocănița ist ein sehr beliebtes Ausflugsziel. Wir kaufen unser Ticket inkl. Verpflegung – vegetarische Kost auf halber Strecke.
Die eigentliche Aufgabe der Schmalspurbahn ist es, die Waldarbeiter zu ihren Arbeitsstätten in den Bergen der Maramureș zu bringen. Auf ihrem Weg zurück transportiert sie das Holz zur Weiterverarbeitung aus den Wäldern. Sie ist einer der letzten regulär betriebenen Forstbahnen Europas und seit 2010 als rumänisches Kulturgut geschützt.
Heute werden die Bahnen mit Diesel betrieben, doch während der Touristen-Saison ist eine eigens eingerichtete, dampfbetriebene Lok im Einsatz – die Mocănița. Mit 10 – 15 km/h zieht sie die Reisenden in den zum Teil offenen Wagons durch die Wälder. Genug Zeit, um in Ruhe die wilde Landschaft und kleinen Orte auf sich wirken zu lassen.
Der Name Mocănița ist ein Kosename, der sich vom rumänischen Wort „Mocan“ ableitet, was so viel bedeutet wie „Hirte“ oder „jemand, der in den Bergen lebt“.
Erste Siedler drangen in den 1930er Jahren in den Urwald der Karpaten vor und begannen mit dem Bau der Eisenbahn. Dem Flusslauf der Valser folgend wählte man eine Spurweite von 760 Milimetern, ungefähr halb so breit wie die geltende Normalspurweite.
Gemächlich bummeln wir an kleinen Gemeinden und vereinzelten Häusern und Höfen vorbei. Das Wassertal ist nur dünn besiedelt und liegt nahe der ukrainischen Grenze.
Nach rund eineinhalb Stunden halten wir das erste Mal an einem großen Picknickplatz mitten im Wald. Während die Lok ihren Dampf in die Luft schnauft, vertreten wir uns die Beine.
Wenig später fährt eine der dieselbetriebenen Loks der Waldarbeiter an uns vorbei.
Kurz danach geht die Fahrt weiter und wir zuckeln noch tiefer in den Wald.
Nach rund zwei Stunden erreichen wir den Umkehrbahnhof Paltin. Eine Stunde haben wir jetzt Zeit, die Karpaten um uns herum zu genießen. Doch hier haben wir die Rechnung ohne den Veranstalter gemacht. Als wir ankommen, werden wir lautstark von traditioneller Musik begrüßt. Auf einer Holzbühne tanzen Pärchen in Tracht rumänische Volkstänze. Es bilden sich Schlangen an den Fressbuden, an denen auch wir unseren Verpflegungs-Coupon einlösen können. Hier treffen wir einen Vater mit seinem Sohn aus Deutschland, die sich wie wir über die Volksfeststimmung mitten im dichten Karpatenwald wundern.
Uns ist das alles zu laut. Wir essen unsere Portion gebratene Kartoffel mit Gemüse und verkrümeln uns dann Richtung Fluss. Dessen rauschen und plätschern übertönt die Folklorestimmung nur wenige Meter entfernt.
Während unserer Pause hat die Lok ein Stück weiter im Wald gedreht. Es geht zurück nach Vișeu de Sus.
Unterwegs fahren wir durch eines der für diese Gegend typischen, kunstvoll verzierten Holztore. Diese Tore ragen vor vielen Höfen bis zu vier Meter und mehr in die Höhe und sind oft aufwändiger hergestellt als die Häuser dahinter. Doch sie sind nicht nur schön anzuschauen, sie haben auch eine Bedeutung. Sie sollen nicht nur das Böse fernhalten sondern bilden auch die Schwelle zwischen dem öffentlichen Leben im Dorf und der Privatheit des Hauses.
Am Bahnhof in Vișeu de Sus angekommen, machen wir uns auf den Weg noch ein Stück weiter in den Norden. Nach Bârsana. Doch dazu das nächste Mal mehr.
07. Juli 2022