An diesem Morgen erwachen wir auf dem Parkplatz der Salina Turda – einem der beliebtesten Reiseziele Rumäniens. Das ehemalige Salzbergwerk ist heute ein Vergnügungspark und wird jährlich von mehr als 600.000 Menschen besucht.
Es ist noch früh, doch der Parkplatz füllt sich recht schnell. Mitten im Hochsommer mit den entsprechenden Temperaturen ist es ein bisschen komisch, in unsere langen Hosen und Pullover zu schlüpfen. Aber wir haben gelesen, dass die Temperaturen unter Tage das ganze Jahr konstant zehn bis zwölf Grad Celsius betragen. Deshalb schnappen wir uns dazu auch noch unsere wärmenden Jacken. Zum Glück ist es ist nicht weit bis zum Eingangsportal, dass wie ein gestrandetes Ufo in der Landschaft liegt. Nichts deutet darauf hin, dass wir am Rand einer ganz eigenen Welt stehen.
Wir schieben der Frau am Ticketschalter die 100 Lei zu – rund 20 Euro – und erhalten im Gegenzug unsere Eintrittskarten. Dann folgen wir gespannt dem langen, schmalen Gang, der uns erst einmal 120 Meter tief in den Berg hinein führt. Zusammen mit weiteren Besuchern erreichen wir eine Empore, die den Blick freigibt auf einen tiefen, hell erleuchteten Schacht.
Ein Fahrstuhl bringt die Besucher 13 Stockwerke hinab in den Rudolf-Stollen. Die Traggkraft ist auf 320 Kilogramm begrenzt, deshalb hat sich eine Warteschlange gebildet. Wir haben darauf keine Lust. Einmal links abgebogen folgen wir der Empore um den gesamten Stollen und lassen das Treiben unter uns wirken.
Die Geschichte des Salzes in der Region
Die gesamte Region war vor Jahrmillionen von Meerwasser bedeckt. Tropisches Klima lies das Wasser nach und nach verdunsten und hinterlies eine rund 400 Meter dicke Salzschicht. Auch heute noch erstreckt sie sich im siebenbürgischen Untergrund. Dicke Sedimentschichten lagerten sich auf dem Salz ab und drückten es an seinen Rändern wie Pilze in die Höhe. Der „Salzpilz“ von Turda ist etwa 1.200 Meter hoch. An manchen Stellen erreichte das Salz die Oberfläche, wo es leicht zugänglich war. An diesen Stellen entstanden die Minen.
Überliefert ist, dass schon die Römer hier den wertvollen Rohstoff abbauten. Die heutige Stadt Turda begründet sich auf der Römersiedlung Potaissa, eine zwischen 101 und 106 n. Chr. von den Dakern eroberte Siedlung. Das Bergwerk wurde erstmals im Jahr 1075 erwähnt, die erste Urkunde stammt vom 1. Mai 1271. Der Salzabbau bescherte der Region Reichtum und Wohlstand. In den 1930er Jahren war die Ausbeute erschöpft und die Mine wurde stillgelegt.
Die Salzmine von Turda erstreckt sich über eine Fläche von zirka 45.000 Quadratmetern. Die einzelnen Stollen sind durch einen schmalen Gang, der Franz-Josef-Galerie, miteinander verbunden. Im zweiten Weltkrieg wurden die Stollen als Luftschutzbunker genutzt, in denen die Menschen Schutz vor den Bomben fanden. Nach dem Krieg diente die Franz-Josef-Galerie als Käse-Lagerstätte.
Ab 1992 wurde die ungenutzte Mine zu einem Zentrum für Halotherapie umgebaut und ist heute ein beliebtes Ausflugsziel.
Als wir zum Fahrstuhl zurückkehren, stehen noch immer viele Menschen an. Wir entscheiden uns für die Treppe, die uns über 172 Stufen 13 Etagen tiefer in den Rudolf-Stollen führt. An der Wand jeder Etage ist das Jahr vermerkt, in dem auf dieser Höhe das Salz abgebaut wurde.
Der Rudolf-Stollen
Unten angekommen wird uns erst hier die Dimension so richtig bewusst. Wir sind rund 120 Meter unter der Erdoberfläche in einem 42 Meter tiefen, 50 Meter breiten und 80 Meter langen Stollen.
Ein vielfältiges Angebot macht den Aufenthalt zu etwas Besonderem. Ein Riesenrad bringt die Menschen ganz nah an die von der Decke wachsenden Salz-Stalagtiten, einige bis zu drei Meter lang. Rund zwei Zentimeter wachsen sie pro Jahr. Das Mikroklima in den Stollen hilft bei der Behandlung von Atemwegserkrankungen. Die salzige Luft tut leise ihre Arbeit, während man sich bei Bowling, Minigolf, Tischtennis oder Billard vergnügt. Jede dieser Attraktionen muss jedoch separat bezahlt werden.
Der Terezia-Stollen
Wir entscheiden uns dagegen und gehen zurück zum Fahrstuhl. Von dort führt eine weitere Treppe noch ein Stück weiter hinab in den nebenan liegenden Therezia-Stollen.
Dieser Stollen ist zu 80 Prozent mit Wasser gefüllt in deren Mitte sich eine Salz-Insel gebildet hat. Darauf steht eine an ein Ufo erinnernde hölzerne Konstruktion. Sie bietet kleinere Sitzecken und einen Bootsanleger an dem kleine Boote zum rudern auf dem See einladen.
Uns genügt es, den anderen beim rudern zuzusehen und wir gehen zurück zum Rudolf-Stollen. Die Treppe, die beide Stollen verbindet, ist gerade breit genug, das zwei sehr schlanke Menschen seitlich aneinander vorbeigehen können. Inzwischen ist aber die Besucherzahl derart angestiegen, dass wir einige Male stehen bleiben, um andere sich an uns vorbeischmiegen zu lassen. So viel fremden Körperkontakt wie an diesem Tag hatten wir schon eine Weile nicht mehr. Zwar nehmen wir das ganze mit Humor aber so richtig geheuer ist es uns dann auch nicht. Wir sind froh, als wir endlich oben ankommen. Inzwischen stehen die Besucher am Fahrstuhl fast bis ans andere Ende des Stollens, umgerechnet sind das gut 40-60 Minuten Wartezeit. Also laufen wir die 172 Stufen auch wieder nach oben.
Die Franz-Josef-Galerie
Entlang der Franz-Josef-Galerie biegen weitere Gänge und Türen ab, hinter denen unter anderem eine kleine Ausstellung zu den Arbeitsmitteln vergangener Tage steckt.
Hier steht auch die Crivac, 1881 erbaut und die einzige noch an ihrem Einsatzort erhaltene Maschine dieser Art. An ihren dicken hölzernen Armen wurden abwechselnd zwei Pferde eingespannt, die das geförderte Salz von der Sohle hoch zum Transportstollen zogen. Die nur durch Fackeln erhellte Dunkelheit und die andauernden kreisenden Bewegungen führte regelmäßig zur Erblindung der Pferde nur kurze Zeit, nachdem sie nicht mehr im Bergwerk eingesetzt wurden.
Eine besondere Attraktion ist die Echokammer, der 115 Meter tiefe Joseph-Stollen mit einem Durchmesser von 67 Metern. Zu sehen ist allerdings nur der obere Teil des Stollens. Von dem hölzernen Balkon, dessen Rand zu dick ist um einen Blick nach unten zu werfen, rufen wir in die Tiefe. Bis zu zwanzig mal echot der Raum unsere Stimmen zu uns zurück.
Die Ghizela-Mine
Wir hören davon, dass es noch eine Mine gibt, die mit einer Führung besichtigt werden kann: die Mine Ghizela. 20 Lei – 4 Euro pro Person kostet uns das noch einmal. Ein bisschen müssen wir noch warten, bevor ein junger Mann uns und zwei weitere Person abholt.
Unser Guide führt uns durch den Schacht, weist auf besonders sehenswerte Salzstrukturen und erzählt extra für uns in englischer Sprache von den Geschichten und der Geschichte. Die Ghizela-Mine wurde für den künftigen Salzabbau vorbereitet. An manchen Stellen ist sie so niedrig, dass wir unsere Köpfe einziehen müssen. Überall haben sich dicke Krusten gebildet, die in dem schwachen Licht vor sich hin glitzern.
Drei Stunden waren wir in dieser unterirdischen Welt und es hat sich definitiv gelohnt.
13. Juli 2022