Unser nächstes Ziel ist die Festung in Făgăraș (deutsch Fogarasch, ungarisch Fogaras), rund 90 Kilometern entfernt von Sibiu. Direkt am Weg liegt die ehemalige Zisterzienserabtei Kerz. Hier machen wir einen ersten Zwischenstopp.
Seine Blütezeit hatte der Orden der Zisterzienser im 12. und 13. Jahrhundert. Auf Einladung des ungarischen Königs kamen sie schließlich auch in diese damals noch unerschlossene, menschenleere Region. Getreu ihrer Ordensregel „ora et labora“ – „bete und arbeite“ machten die Mönche das einstige Brachland urbar. Sie legten Sümpfe trocken, bauten Felder an und betrieben Fischzucht. Das im Jahr 1202 gegründete Kerzer Kloster war das südöstlichste in Europa. Diese Enwicklung zog weitere Siedler an – ganze Familien kamen und gründeten neue Dorfgemeinschaften. So hatte es sich der ungarische König gewünscht und den Neuankömmlingen zahlreiche Vorteile gewährt. Sie durften ihre Richter und Pfarrer selbst wählen und waren von Zöllen und Steuern befreit. Aber da es nur wenig ohne Gegenleistung gab, waren sie wiederum verpflichtet, das Land gegen Feinde von außen zu verteidigen.
Und das war auch notwendig, denn der wachsende Wohlstand zog die Mongolen an. Plündernd zogen sie durchs Land und zerstörten auch das neu errichtete Klostergebäude und die umliegenden Ortschaften. Von diesem Schlag erholte sich die Abtei nur langsam, aber nach rund 20 Jahren war die Klosterkirche neu aufgebaut. Ein Jahrhundert lang ging es aufwärts und die Abtei wurde das geistige, kulturelle und wirtschaftliche Zentrum der Region.
Bis im Jahr 1421 die Türken einfielen. Auch sie plünderten und zerstörten und zündeten schließlich das Klostergebäude an. Jetzt konnten auch Tatkraft und Optimismus der Mönche nicht mehr helfen. 1474 löste der ungarische König die Abtei schließlich auf. Zu viel wurden ihm die dauernden Überfälle und die zum Wiederaufbau nötigen Investitionen aus seinem Staatssäckel. Damit war die Anlage dem Verfall preisgegeben.
Heute sind nur noch Kreuzschiff und Hauptchor der ehemaligen Klosterkirche erhalten. Von den restlichen Gebäuden stehen nur noch die Außenmauern.
Da wo früher im Langhaus die Gläubigen auf Holzbänken saßen, fanden nach dem ersten Weltkrieg rund 90 gefallene Soldaten ihre letzte Ruhestätte. Sie wurden 1928 von den Friedhöfen umliegender Gemeinden umgebettet.
Hier sei noch ein kleiner Ausflug zum siebenbürger sächsisch gestattet. Leider haben wir diesen Dialekt auf unserer Reise durch Siebenbürgen nicht im original gehört. Oder vielleicht haben wir ihn auch einfach nicht erkannt. Denn siebenbürgisch-sächsisch ist nicht sächsisch nach heutigem Verständnis. Die Sprache hat ihren Ursprung im moselfränkischen Dialekt aus dem Rhein-Moselgebiet. Wer sich darin ausprobieren mag – wir haben das Vater Unser gefunden:
Wir haben mehr Zeit in den Kerzer Klosterruinen verbracht als gedacht und fahren schließlich weiter zur Festung in Făgăraș. Dort kommen wir kurz nach 18 Uhr an, was auch in Rumänien bedeutet, dass Museen dann geschlossen sind. Als wir die Öffnungszeiten recherchieren lernen wir, dass auch am nächsten Tag die Festungstore für uns geschlossen bleiben. Schade, denn die Festung ist einer der am besten erhaltenen Anlagen in Rumänien.
Wir stellen Laika auf einem Parkplatz direkt am Festungsgraben ab und laufen einmal um die Festung herum. Bereits im 12. Jahrhundert stand hier eine hölzerne Befestigungsanlage, die ab dem 14. Jahrhundert in eine steinerne Festung umgebaut wurde. Auch hier galt es, sich vor allem gegen die Invasionen der Mongolen und Türken zu schützen. Im Laufe der Geschichte diente die Festung als Fürstenwohnsitz, Militärgefängnis, Kaserne und als Gefängnis für Gegner des kommunistischen Systems. Heute beherbergt sie ein Museum und eine Bibliothek.
Diese Nacht verbringen wir direkt am Festungsgraben. Die Straße, an der wir stehen, führt in ein Wohngebiet und der Verkehr hält sich in Grenzen.
26. Juni 2022