Panoramastraße Transalpina
Nach dem ungewöhnlichen Stellplatz an der Râpa Roșie erwartet uns ein weiteres Highlight Rumäniens: die Transalpina Panoramastraße. Seit knapp einem Monat – seit unserer Fahrt über die Transfăgărășan – freuen wir uns, endlich auch die höchstgelegene Straße Rumäniens zu erfahren. Bis auf rund 2.140 Meter schlängelt sie sich durch die transsilvanischen Alpen und zählt zu den schönsten Orten Rumäniens.
Wir starten von den roten Felsen nach Süden. In Sebeș biegen wir links ab auf die DN67C, die uns nun gemächlich immer weiter in die Berge führen wird. Die ersten 35 Kilometer geht es durch kleinere und größere Ortschaften, in denen auf Schildern immer wieder Gästezimmer und Hotels beworben werden. Schließlich verlassen wir das bewohnte Gebiet und folgen dem Verlauf des Flusses Sebeș. Immer näher rückt der Wald – eines der vielen Schätze Rumäniens. Wir wollen es gemütlich angehen und die Transalpina in Ruhe erkunden.
Kloster Oașa
Und so biegen wir nach rund 70 Kilometern rechts auf einen Schotterweg ab, auf dem wir eine gewaltige Staubwolke hinter uns herziehen. Wir haben in unserer App wieder einmal ein Kloster entdeckt: das Mănăstirea Oașa direkt am Oașa-Stausee. Hier wollen wir über Nacht stehen und finden auch einen Platz direkt gegenüber der Eingangspforte. Dann erkunden wir das Kloster. Es gibt einige Baustellen, aber es ist kaum eine Menschenseele zu sehen. Die meisten Türen sind offen und gemeinsam mit drei weiteren Besuchern, bestaunen wir neugierig die kleine, moderne Kapelle. Sonst ist nicht viel zu sehen. Einzig das stündliche laute Glockengeläut unterbricht die ansonsten angenehme Stille. Wir fragen uns, ob auch in der Nacht die Glocken stündlich klingen, denn wir stehen direkt gegenüber des Glockenturms.
Am Oașa-Stausee beginnt das, was wir ab hier immer wieder sehen: Wassermangel in den Stauseen und Flüssen. 2022 litt ganz Europa unter überdurchschnittlich hohen Temperaturen und unterdurchschnittlichen Regenmengen. Dieser Sommer gilt als der heißeste in Europa seit 1881. Wir sehen es vor allem an den Ufern, deren breite Randstreifen anzeigen, wo sich der Wasserspiegel normalerweise befindet.
Wir haben Glück. In den Nachtstunden bleiben die Glocken still und wir können durchschlafen. Das erste Läuten am Morgen ist aber dennoch erst mal ein kleiner Schreckmoment. Wenig später erklingt noch ein anderes Glöckchen. Als wir aus dem Fenster schauen, steht diese braun-weiße Dame ungläubig neben uns. Vielleicht fragt sie sich, was dieses weiße, dicke Ungetüm (Laika) in ihrem Revier zu suchen hat.
Schließlich packen wir unsere Sachen und zuckeln den Schotterweg zurück zur Transalpina. Heute geht es hoch hinaus.
Die Geschichte der Transalpina
Die Nationalstraße Transalpina, deren offizieller Name Drum National 67C (DN67C) ist, hat eine lange Geschichte. Sicher ist, dass es sich ursprünglich um einen auch „Teufelspfad“ genannten Bergpfad handelt, den die örtlichen Hirten mit ihren Schafherden für die Überquerung des Gebirges nutzten. Einigen Quellen nach sollen aber schon römische Legionen im Krieg gegen die Daker mit dem Bau einer Straße begonnen haben. Im ersten Weltkrieg wurde sie von den Deutschen ebenfalls für militärische Zwecke wieder aufgebaut. 1937 gab der rumänische König Carol II. die erneute Sanierung der Straße in Auftrag. Aus dieser Zeit trägt sie ihren dritten Namen – „Straße des Königs“ oder „Königsstraße“. Strategisches Ziel war es, eine mit Autos und Pferdezugwagen befahrbare Straße zu schaffen für die Gebirgsartillerie der rumänischen Landstreitkräfte. Eröffnet 1939 wurde sie im zweiten Weltkrieg weiter ausgebaut. Seit den 2000er Jahren asphaltierte man die Strecke nach und nach, seit 2016 ist sie offiziell geöffnet und hat sich zu einem Eldorado für Motorradfahrer, Vanlifer, Naturliebhaber und Radfahrer entwickelt.
Immer weiter schiebt sich die Straße nach oben. Zuerst führt sie noch durch Wald, doch irgendwann erreichen wir die Baumgrenze.
Schließlich erreichen wir Stâna Ștefanu, einem kleinen traditionellem Verkaufsstand. Die hiesigen Hirten haben hier traditionelle Kleidungsstücke zu einer Ausstellung zusammengetragen. Das meiste ist nur zum anschauen aber es gibt auch ein paar Schaf-Felle zum anprobieren. Wir schauen anderen dabei zu, wie sie sich die dicken Mäntel überwerfen. Uns ist es zu warm dafür.
Für die ebenfalls angebotene traditionelle Küche haben wir nicht genug Hunger. Deshalb laufen wir nur ein paar Schritte den Berg hoch zu einem dort angebundenen Pferd. Es hat kaum Bewegungsspielraum und in der Hitze auch keinen schattigen Ort zum unterstellen.
Frei stehen auf der Transalpina
Für uns ist klar, dass wir hier oben stehen bleiben wollen und suchen nach einem geeigneten Ort. Park4Night hilft zwar dabei, aber nicht jeder Platz ist für ein Wohnmobil wie Laika geeignet. Schließlich führt in einer steilen Kurve ein Pfad auf ein kleines Plateau. Ihm folgen wir und werden dabei ordentlich durchgeschüttelt. Einige der Löcher und Dellen sind tiefer als sie auf den ersten Blick scheinen. Doch wir finden einen Platz, der sogar eben ist. Hier stehen wir ganz allein – für zwei Tage und eine Nacht. Am zweiten Tag rumpelt ein zum Van umgebauter LKW an uns vorbei und stellt sich ein Stück hinter uns zwischen die Büsche. Wir kommen nur kurz mit den beiden ins Gespräch, dann macht jeder wieder sein Ding. Nicht immer bedeutet andere Camper zu treffen auch ausgiebige Gespräche. Uns ist das recht. Die Landschaft um uns herum reicht uns.
Selbst in dieser Abgeschiedenheit beobachten wir eine Routine. Auf dem Berg gegenüber weidet eine Schafherde. Von unserem Standpunkt aus erkennen wir sie nur als helle Punkte, die sich über die gesamte Bergflanke verteilt haben. Als es dämmert, kommt plötzlich Bewegung in die Punkte. Wir nehmen unser Fernglas und sehen, wie zwei Hütehunde die Schafe erst zu einer Herde zusammen und dann in ein viereckiges Gatter treiben. Jetzt erkennen wir auch den Hirten, der das Gatter schließt. Als sich am nächsten Morgen das Gatter wieder öffnet, verteilen sich die Schafe wie Konfetti wieder auf dem Berg. Und am Abend geht das gleiche Spiel von vorn los.
Hier oben fühlen wir uns wieder einmal wie die einzigen Menschen auf dieser Welt. Tagsüber sehen wir die vorbeifahrenden Autos und hören vor allem die Motorräder. Macht sich die Sonne auf den Weg hinter den Horizont, wird es ruhiger. Bis schließlich kein menschengemachtes Geräusch mehr zu hören ist. Die Transalpina ist in den Nachtstunden für den Verkehr gesperrt. Dann gibt es nur noch uns und den Wind.
Nach zwei Nächten verlassen wir ein bisschen wehmütig diesen Ort. Es hat gut getan hier oben. Nichts müssen, nichts verpassen, einfach sein und schauen. Sogar das Wetter hat mitgespielt. Kein Sturm, kein Regen – Sonne und angenehme Temperaturen – auch in der Nacht. Einmal bekamen wir Besuch von zwei neugierigen Pferden. Zielstrebig kamen sie auf uns zu, um zu sehen, welches dicke Ding (Laika) da plötzlich auf dem Hügel steht. Für so viel Neugier erhielt dann auch jeder die Hälfte unseres letzten Apfels.
Und dann heißt es: zurück in die Zivilisation. An deutsche Sicherheitsvorkehrungen ist wahrlich nicht zu denken, als es die steilen Kurven bergab geht. Als Leitplanken dienen oft schwere, übereinander gestapelte Betonklötze. Wir testen Laikas Bremsen aus, die diese Herausforderung mit Bravour meistern.
So richtig wollen wir noch nicht weg, also biegen wir noch einmal von der Straße rechts ab und landen – auf einer Kuhweide. Die trägen Tiere schauen nur kurz in unsere Richtung, dann trotten sie Gras zupfend weiter. Nur eine Kuh – wir vermuten eine Teenagerin – findet uns mehr als attraktiv. Mit wilder Entschlossenheit inspiziert sie dieses komische Wesen, dass sich da auf ihrer Weide breit macht. Von unserem Rufen und wild mit den Armen wedeln ist sie so gar nicht beeindruckt. Im Gegenteil: jeder Zentimeter und jede offene Tür wird genauestens untersucht. Sie macht den starken Eindruck, als wäre sie auch an einer Roomtour interessiert. Nur mit Mühe können wir sie davon überzeugen, dass sie zu groß ist, um mal eben hereinzuspazieren. Irgendwann erlischt ihr Entdeckerdrang und sie macht sich langsam davon. Nur wenig später kommt eine ausgewachsene Kuh und schubbert ihren Kopf an Laikas Hintern, so dass unser ganzes Haus wackelt.
18. – 21. Juli 2022