Wir beschließen, dass wir jetzt den Versuchungen der schönen Orte in Griechenland nicht weiter nachgeben und Richtung Albanien aufbrechen. Aber einen kleinen Abstecher wollen wir trotzdem noch machen – zur Vikos-Schlucht. Knappe 50 Kilometer sind dafür zu fahren und der Weg führt uns nach Zagoria – dem „Ort hinter den Bergen“. Die meisten Dörfer dieser Region stammen noch aus den Zeiten der osmanischen Herrschaft. Da das Gelände schwer zugänglich und somit schwierig zu verwalten war, ließen die Osmanen sich auf einen Deal mit der Bevölkerung ein. Für Steuerermäßigungen und vor allem für ihre weitestgehende Autonomie entsandten sie alle paar Jahre Stallburschen in das Heer des Sultans. Dafür hatten sie ihre Ruhe vor den Obrigkeiten. Die Gegend war auch Anziehungspunkt für Griechen, die sich den Vorgaben der Osmanen nicht unterordnen wollten. Auch heute noch ist Zagoria eher unbekannt und wird daher nur wenig von Touristen besucht. Dadurch konnte die Gegend sich ihre rauhe und einsame Schönheit erhalten.

Wir werden pompös empfangen: von der Statue für die Frauen von Zagoria. Sie steht für alle Frauen, die 1940 Widerstand gegen die italienischen Truppen geleistet haben.

Ab da geht es wieder über schmale Straßen Richtung Schlucht. Unser erster Stopp ist auf 1.060 Metern in Monodendri. Um von hier zur Schlucht zu gelangen, müssen wir durch einen ziemlich verwunschenen Wald.

Und dann erhalten wir einen ersten Blick in die Schlucht, die es 1997 in das Guinnes Buch der Rekorde geschafft hat. Gemessen am Verhältnis zwischen Tiefe und Breite ist sie die tiefste Schlucht der Welt.

Gegenüber unseres Aussichtspunktes befindet sich das inzwischen verlassene Kloster Sankt Paraskevi. Gegründet wurde es zwischen 1413 und 1414 und die kleine aus Stein gebaute Kapelle ist die älteste noch erhaltene in Zagoria.

Die Felsen über dem Kloster haben bereits begonnen, die Klostermauern langsam und stetig mit Steinbrocken zu bewerfen. Sicherungsnetze aus Stahl versuchen, das schlimmste zu verhindern. Doch es wird wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis das Kloster nicht mehr erreichbar ist.

Einen kurzen Stopp legen wir am Steinwald ein, den wir sofort umbenennen in „die Pancake-Rocks von Zagoria“.

Das Wetter verschlechtert sich zusehends und so suchen wir uns einen Ort, an dem wir die Nacht verbringen können.

Unsere Wahl fällt auf Vikos, einem kleinen Ort auf rund 740 Metern Höhe am nördlichen Ende der Schlucht. Von hier aus geht ein Pfad hinab zum Voidomatis-Fluss, den wollen wir am nächsten Tag laufen. Wir sind sehr gespannt, was unsere Kondition dazu sagt.

Doch zuerst genießen wir die Stille und Abgeschiedenheit dieses Ortes.

Am nächsten Morgen erwachen wir wieder über den Wolken.

Doch sobald die Sonne hervorkommt, lösen sich die Wolkenfelder auf und es wird warm. Beste Voraussetzungen für unsere Tour hinab ins Tal.

Da unten liegt unser heutiges Ziel: die kleine Panagia-Kapelle am Voidomatis-Fluss. Der Berg gegenüber ist 1.590 Meter hoch.

Die kleine Kapelle ist im für Zagoria typischen Stil erbaut, wird aber heute nicht mehr genutzt. Aber mit ihrer Lage direkt am Fluss ist sie ein lockendes Ausflugsziel.

Jetzt im Frühjahr führt der Fluss noch Wasser. Andere Berichte, die wir im Internet finden, lassen vermuten, dass das Flussbett im Sommer ausgetrocknet ist.

Und dann müssen wir den ganzen Weg wieder hinauf nach Vikos.

Der Pfad ist gut ausgetreten und wir kommen besser voran als gedacht. Unsere Kondition scheint uns diesmal nicht im Stich zu lassen.

Dehnungen und Mineralien sollen dem Muskelkater am nächsten Tag vorbeugen.

Entlang der Vikos-Schlucht liegen noch einige Dörfer, die als sehr sehenswert beschrieben sind. Und so fahren wir sie nacheinander ab.

Die kleinen Steinhäuser mit den soliden Schieferdächern fügen sich harmonisch in die Landschaft ein und verschmelzen nahezu mit ihrer Umgebung.

Die unregelmäßigen Schieferplatten liegen lose auf und halten nur durch ihr Eigengewicht.

Die Abgeschiedenheit der Region und die langen und harten Winter, machte die Dörfer manchmal für Monate unerreichbar. Dies ist einer der Gründe, warum viele der Einwohner ihre Häuser verlassen haben. Heute wird die Gegend langsam für den sanften Tourismus wiederentdeckt. Die Steinhäuser werden liebevoll restauriert und zu Gasthäusern oder Hotels umgestaltet.

Hinter Papigo und seinem kleineren Ableger Mikro Papigo ist die Welt zu Ende. Dahinter reckt sich der Astraka als Teil des Tymphi-Massivs in den Himmel. Die Schornsteine auf den kleinen Häusern erwecken ein wenig den Eindruck, als wollten sie es ihm gleich tun.

Mikro Papigo

Hier oben gibt es noch eine weitere Laune der Natur – die Papingo Rock Pools. Hier hat der Bach Rogovou verschieden große Becken geformt, die durch kleinere Wasserfälle verbunden sind. Vor allem in den heißen Sommermonaten kommen hier viele Menschen her, um sich abzukühlen. Für uns ist es zu kalt, um es zu versuchen.

Wir fahren wieder hinab ins Tal und verbringen eine sehr ruhige Nacht an einer weiteren Steinbogenbrücke.

Nicht weit entfernt ist eine weitere Brücke, die wir uns am nächsten Tag anschauen, bevor es weiter zum nächsten Dorf der Zagoria geht.

Das Dorf Vradeto – das mit 1.340 Metern höchste der 44 Dörfer von Zagori, ist bei unserer Ankunft verlassen. Hier leben nur zwei Pferde und ein Fohlen. Von hier aus können wir wieder ein Stück durch die großartige Bergkulisse laufen, um zum Beloi View Point zu gelangen. Unterwegs grüßt uns wieder der Winter.

Die Aussicht soll die beste der Gegend zu sein und als wir sie erreichen, bleibt uns einmal mehr der Atem weg. Nicht nur wegen der Aussicht.

Hier kribbelt es uns sehr im Bauch und wir bewegen uns tastend und in Zeitlupe oder robben die letzten Zentimeter bis zum Rand. Aber die Sicht von hier oben ist atemberaubend und wir nehmen uns Zeit, alles auf uns wirken zu lassen.

Auch hier gibt es an einigen Stellen keine Absperrungen und die Felsen fallen bis zu 1.000 Meter senkrecht in die Tiefe.

Als wir vom Dorf Vradeto wieder hinab fahren, sehen wir am gegenüberliegenden Berghang in den Fels gehauene Treppen. Vradeto war bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts ausgehend vom Dorf Kapesovo nur über diese rund 1.000 Steintreppen zu erreichen. Heute führt eine Straße hinauf aber die Treppen sind eine beliebte Wanderroute. Diese Wanderung haben wir uns auf die to-do-Liste gesetzt.

An diesem Abend fahren wir bis nach Igoumenitsa, um am nächsten Tag Griechenland in Richtung Albanien zu verlassen.

Der Stellplatz liegt gegenüber dem Hafen, an dem die Fähren zum Beispiel aus Italien ankommen. Als wir einschlafen, stehen wir hier zu zweit. In der Nacht ist jedoch eine Fähre angekommen, die unter anderem Camper ausgespuckt hat. Der Stellplatz ist nahe am Fähranleger und so haben es sich weitere vier Camper auf dem kleinen Areal bequem gemacht.

04. – 07. April 2022