Rund 100 Kilometer sind es von Pristina bis zur Matka-Schlucht, unserem nächsten Ziel. Die liegt schon in Nordmazedonien.

Auch wenn ich vor der Reise nur wenig darüber nachdachte, wie es wohl an den Grenzen sein könnte, bin ich doch ein bisschen überrascht, dass es so leicht ist. Andererseits – warum sollte es hier anders sein? Vielleicht ist es das Gefühl von Grenze, dass sich in mir aus sozialistischen Zeiten erhalten hat. Die strengen Blicke und unbewegten Gesichter. Das unbehagliche Gefühl, dass sich in der Autoschlange breit macht: ´Bloß nicht auffallen.´

„Nur zwei Personen?“ fragt der Grenzer und versucht, ins Wageninnere zu sehen. „Ja, nur zwei“ antwortet Silke. Dann gibt er uns die Pässe zurück und winkt uns durch.

Ich hab es gar nicht verstanden aber sie fragen sich, wo unsere Männer sind. Ein einziges Mal wurden wir bisher direkt danach gefragt. Von einem freundlichen Albaner. Als Silke die Augen verdreht und sagt: ´die haben wir zu Hause gelassen´ macht sich ein wissendes Lächeln in seinem Gesicht breit. Das kann er nur allzu gut verstehen.

Ein kleiner Parkplatz direkt an der Matka-Schlucht wird für die nächsten beiden Nächte unser zu Hause. Unser „Hinterhof“ ist eine Wildwasser-Trainingsstrecke, die für Kajakwettbewerbe bekannt ist. Die Schlucht liegt nur rund 17 Kilometer von Skopje – der mazedonischen Hauptstadt – entfernt. Um uns herum tummeln sich dann auch Besucher aus allen Teilen der Welt.

Am Eingang zur Schlucht finden wir eine Tafel, die anzeigt, wie lange einzelne in die Natur geworfene Dinge brauchen, um abgebaut zu werden. Es ist das erste Mal auf der Reise, dass wir etwas in dieser Form sehen. Das Bewusstsein dafür, die Umwelt zu schützen scheint noch nicht sehr ausgeprägt. Wir haben schon viel achtlos weggeworfenen Müll – allen voran Plastik – gesehen. Gerade deshalb ist dieses Schild eine Wohltat. Und um es vorweg zu nehmen: die Schlucht und das angrenzende Gebiet sind tatsächlich sehr sauber.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Gegend zu erkunden: paddeln, wandern oder Boot fahren. Für einen ersten Eindruck entscheiden wir uns für das Boot. Es wird uns zur Vrelo-Höhle bringen – eine der zehn Höhlen in der Matka Schlucht.

Die Vrelo-Höhle ist noch nicht komplett erforscht. Weite Teile liegen unter Wasser und es wird vermutet, dass sie eine der tiefsten Unterwasserhöhlen der Welt ist. Taucher, die bis zu einer Tiefe von 240 Metern kamen, berichteten von weiteren Räumen.

Der Eingang der Höhle liegt jedoch über Wasser und genau diesen Teil schauen wir uns jetzt an. Wir folgen den anderen eine kleine Treppe hinauf und in die Höhle hinein. Es ist dunkel und wir können fast nichts erkennen. Immer weiter gehen wir hinein, als auf einmal Licht die Höhle in bunten Farben erleuchtet. Und aus den anwesenden Mündern ein kollektives „Ahh“ ertönt.

Einer der Stalagmiten hat sich über 2.700 Jahre geformt und erinnert an einen Kiefernzapfen. Direkt am Eingang der Höhle befindet sich der sogenannte „Konzertsaal“. Und wie es der Name vermuten lässt, finden hier Konzerte statt, die der Musik einen ganz neuen Klang verleihen. Dann werden wir auf charmante Art aus der Höhle gebeten, als plötzlich die Lichter um uns herum wieder ausgehen. Das ist vor allem gut für die Fledermäuse, die in der Höhle ihr zu Hause gefunden haben.

Und schon geht es zwischen den steil aufragenden Felswänden wieder zurück zum Ausgangspunkt.

Der Tag ist noch jung und wir wollen uns noch etwas bewegen. Über die Jahre wurden schmale Wege in die Felsen geschlagen, denen wir jetzt folgen.

Aus dieser Perspektive ergeben sich ganz neue Ein- und Ansichten.

Ausflugs- und Paddelboote waren den ganzen Tag unterwegs
an manchen Stellen fehlte das Geländer

13. – 14. Mai 2022