Gleich neben dem Ohridsee, ein Stück weiter in den Bergen, liegt der große Prespasee. Sein Wasser teilen sich die Länder Albanien, Griechenland und Nordmazedonien. Wir suchen eine stille Ecke und finden sie am Restaurant „Proper And More“ in Pretor. Etwas abseits stellen wir uns auf den Parkplatz des Restaurants und machen es uns dann auf der Terasse mit Seeblick gemütlich.
Der Prespasee ist nicht so stark frequentiert wie sein Nachbar und es geht dementsprechend ruhig zu. Die Sonnenschirme und Liegen am Strand des Restaurants warten noch darauf, für die Saison fit gemacht zu werden. Auf den Bergen rund um den See liegt zum Teil noch Schnee.
Der See versorgt den Ohridsee über einen unterirdischen Abfluss mit Wasser. Er selbst wird vor allem durch Bäche und unterirdische Zuflüsse – zum Beispiel vom kleinen Prespasee ein Stück südlicher – gespeist.
Rund um das Restaurant haben sich ein paar freilebende Hunde versammelt, die unser Wohnmobil längst als mögliche Futterstation erkannt haben. Auch ein winziger Welpe ist unter ihnen, der uns natürlich sofort in seinen Bann zieht. Silke jedoch hat es eine schwarze Hündin angetan, die sich ein bisschen abseits des Rudels hält. Noch nie waren wir näher dran, einen Ort zu dritt zu verlassen.
Viele der Reisenden, die wir treffen, sind mit Hund unterwegs. Manchmal sogar zwei oder drei. Oft sind es Straßenhunde, die im Wohnmobil oder Van ein neues zu Hause in einem neuen Rudel gefunden haben. Es mag schön sein, von einem Vierbeiner begleitet zu werden, doch ist es für den Hund auch schön? Diese Frage stellt sich uns immer wieder. Im Moment sind wir viel unterwegs, fahren manchmal mehrere Stunden am Stück. Irgendwann sind wir aber auch wieder zurück im sogenannten Alltag. Wieviel Zeit bleibt dann noch für den Vierbeiner? Und sind wir wirklich bereit, uns so weit einzuschränken? Bin ich dafür bereit? Natürlich sind die Wesen froh über unsere Zuwendung und mehr noch über das Futter. Sie lassen sich meist bereitwillig streicheln und zeigen sich von ihrer besten Seite. Aber es ist auch immer nur ein Moment. Und was die Verantwortung wirklich bedeutet, kann ich nicht abschätzen.
Also fahren wir zu zweit weiter – in den Pelister-Nationalpark. Es ist der älteste Nationalpark Nordmazedoniens und besonders bekannt für seine Molika-Kiefern. Das übernachten im Nationalpark ist an ausgewählten Stellen erlaubt. So zum Beispiel auf dem Parkplatz des Informationszentrums. Dieser ist zwar sehr geräumig jedoch auch sehr abschüssig und wir brauchen eine Weile, um einen halbwegs geraden Platz zu finden. Dann geht ein ordentlicher Regenschauer auf uns herab, den wir Kaffee trinkend an uns vorbeiziehen lassen.
So ganz glücklich sind wir nicht mit unserem Schlafplatz, also packen wir noch einmal zusammen und fahren die letzten Meter weiter auf den Gipfel. Dort, auf rund 1.420 Metern steht das Hotel Molika, dessen Architektur uns sofort an das IFA-Hotel in Schöneck erinnert. Wir fragen an der Rezeption, ob wir über Nacht auf dem Parkplatz stehen dürfen. Eigentlich ist es nicht erlaubt, aber im Moment ist wenig los und so dürfen wir bleiben.
Der Nationalpark ist das ganze Jahr sehr beliebt für Wanderungen, Mountainbiking und Ski fahren. Ganz in der Nähe des Hotels finden wir dann auch das Skicenter „Kopanki“, dass ohne Schnee die Ausstrahlung eines „Lost Place“ hat.
Der Regen hat aufgehört und wir wollen noch ein bisschen laufen. Gleich am Hotel beginnt der „Historical Trail“, dem wir folgen. Dabei kommen wir an einer frei stehenden, hochgewachsenen Molika-Kiefer vorbei. Diese Baumart ist vor allem auf der südlichen Balkanhalbinsel heimisch. Ein Schild informiert uns, dass es sich um die mit über 200 Jahren älteste Kiefer des Nationalparks handelt.
Ein Stück weiter offnet sich die Vegetation und gibt den Blick frei auf das Pelagonia-Tal und die Stadt Bitola. Sie ist die drittgrößte Stadt Nordmazedoniens. Wir sehen sie jedoch nur aus der Ferne. Um das Szenario unter uns tief im Inneren abzuspeichern, bleiben wir eine Weile stehen. Bis ein erst leises, dann immer lauter werdendes Geknatter ertönt. Langsam dröhnt ein Militärhubschrauber heran und im Tiefflug über uns hinweg. Ganz unerwartet sind wir so mental auf die nächsten Stationen des Weges eingestimmt.
Quer durch den heutigen Nationalpark verlief im ersten Weltkrieg zwischen 1915 und September 1918 die Saloniki-Front. Die „Idee“ dazu hatten bereits 1914 die Franzosen. Nach der endgültigen Entscheidung für diese Frontlinie im September 1915 wurden 65.000 französische und 86.000 britische Soldaten in Salonika stationiert. Bis Mitte 1916 wurden die Soldaten entlang einer Linie von der heutigen Stadt Vlora in Albanien über das gesamte nordmazedonische Territorium bis zur Chaldikiki Halbinsel in Griechenland stationiert.
Die damals ausgehobenen Schützengräben und einige hölzene Bauten kann man heute besichtigen. Informationstafeln entlang des Weges erinnern daran, was hier vor mehr als 100 Jahren geschehen ist.
Die Vorstellung – vor allem bei diesem nasskalten Wetter – tage-, wochen- und sogar monatelang in den Gräben auszuharren ist sehr gruselig. Wir können die stetige Anspannung regelrecht spüren. Egal ob bei Kälte und Schnee oder Sonne und Hitze – immer in Erwartung eines Angriffs.
18. Mai 2022