Rumänien gilt bei vielen noch immer als ein Land der Gegensätze: arm und rückständig auf der einen Seite, geheimnisvoll und voller Mythen auf der anderen. Manche denken bei Rumänien an Dracula, graue Plattenbauten oder Straßen voller Schlaglöcher. Doch wer die Karpaten bereist, entdeckt eine ganz andere Wirklichkeit.

In der Maramureș sind jahrhundertealte Holztraditionen lebendig geblieben, in der Bukowina erzählen die bemalten Klöster ihre Geschichten in leuchtenden Farben und im Banater Bergland klappern noch heute Wassermühlen im Takt der Natur. Der Karpatenbogen macht sichtbar, dass Rumänien weit mehr ist als seine Vorurteile – es ist ein Land voller Kultur, Landschaften und Begegnungen.

Maramureș – Holz, Schmalspurbahn und Ursprünglichkeit

Die Maramureș ist eine der ursprünglichsten Regionen Rumäniens – eine Landschaft, in der Traditionen nicht nur museal bewahrt, sondern gelebt werden. Zwischen geschnitzten Holztoren, Pferdewagen und kleinen Dörfern wirkt das Leben hier noch immer entschleunigt. Zwei Orte haben uns besonders beeindruckt: das Kloster Bârsana und die Fahrt mit der Mocănița.

Bârsana – ein Ort zwischen Himmel und Holz

Holzkirche des Klosters Bârsana in der Maramureș, Rumänien – UNESCO-Weltkulturerbe mit traditioneller Holzarchitektur
Klosteranlage Bârsana in der rumänischen Maramureș-Region
Klosteranlage Bârsana in der Maramureș-Region, Rumänien, mit Holzkirche, Klostergebäuden und gepflegten Gärten
Traditionelle Klostergebäude mit steilen Dächern

Nur wenige Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt erhebt sich das Kloster Bârsana auf einem Hügel über dem Dorf. Schon der Weg durch das Eingangstor ist ein Erlebnis: Aus einem Lautsprecher erklingt sanfte, spirituell anmutende Musik, die uns sofort in die richtige Stimmung versetzt. Wir recherchieren, dass die Stimme zu Paula Seling gehört – einer rumänischen Sängerin, die nicht nur traditionelle Lieder interpretiert, sondern auch beim Eurovision Song Contest aufgetreten ist.

Die heutige Klosteranlage entstand in den 1980er Jahren im traditionellen Stil der Maramureș-Holzarchitektur und wurde 1999 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Die Geschichte reicht jedoch viel weiter zurück: Bereits 1390 wird hier eine hölzerne Kirche erwähnt. Das Kloster, das sich im Laufe der Jahrhunderte daraus entwickelte, wurde während des österreichisch-türkischen Krieges um 1880 zerstört und der Ort schließlich bis zum Wiederaufbau verlassen. 

Wir lassen uns Zeit beim Rundgang. Die 57 Meter hohe Holzkirche mit ihren farbenprächtigen Fresken beeindruckt ebenso wie die gesamte Anlage mit Museum, Gästehaus, Sommeraltar und Gärten. Es sind vor allem die kleinen Momente: ein junger Hahn, der trotz Stimmbruch zu beeindrucken versucht und uns damit sehr erheitert. Ein Spaziergang durch blühende Beete. Das Innehalten und schauen und über allem das Gefühl von Ruhe und Geborgenheit.

Holzkirche Notre-Dame de Bârsana in der Maramureș, Rumänien – UNESCO-Weltkulturerbe in traditioneller Holzarchitektur
Notre-Dame de Bârsana: UNESCO-Welterbe & Holz-Meisterwerk
Fresken in der Holzkirche von Bârsana, Maramureș, Rumänien – biblische Szenen im UNESCO-Weltkulturerbe
Fresken: jahrhundertealte Malereien biblischer Szenen

Ein zweiter Abstecher führt uns zur kleinen Kirche Notre-Dame de Bârsana, wenige Kilometer entfernt. Abgeschieden auf einer Wiese gelegen, erzählt uns eine Frau voller Leidenschaft ihre Geschichte: Erbaut 1711 als Dank für den Schutz vor der Pest, mehrfach versetzt und umgebaut, trägt sie heute Fresken, die zu den schönsten barocken Malereien der Region zählen. Auch sie gehört seit 1999 zum UNESCO-Welterbe.

Mit der Mocănița durch das Wassertal

Mocănița Wassertalbahn am Bahnhof in Vișeu de Sus, Maramureș, Rumänien – historische Dampflok mit Waggons
Start in Vișeu de Sus: die Mocănița setzt sich in Bewegung.
Mocănița Wassertalbahn in den Karpaten, Rumänien – Zugfahrt mit Dampflok entlang des Flusses durch grünen Wald
Das Wassertal: am Fluss entlang durch die Karpaten.

Ein ganz anderes Erlebnis wartet in Vișeu de Sus: die Mocănița, eine historische Schmalspurbahn, die einst Holz aus den Wäldern der Maramureș transportierte. Heute ist sie eine der letzten regulär betriebenen Forstbahnen Europas und seit 2010 als rumänisches Kulturgut geschützt.

Gemächlich zieht die dampfbetriebene Lok ihre Wagen durch das Tal. Mit 10–15 Kilometern pro Stunde bleibt genug Zeit, um den Wald, die kleinen Höfe und das Rauschen des Flusses zu genießen. Unterwegs kommt uns eine der kleinen Loks entgegen, die auch heute noch Waldarbeiter in die Berge oder Holz zurück ins Tal transportieren.

Nach rund zwei Stunden erreichen wir den Umkehrbahnhof Paltin. Hier wird es laut: Musik, Tanz und Essensstände sorgen für Volksfeststimmung mitten im Karpatenwald. Uns ist das zu viel. Wir ziehen uns an den Fluss zurück, wo das Plätschern des Wassers die Folklore übertönt. Auf dem Rückweg rumpeln wir durch eines der typischen Holztore, die hier in der Maramureș wie Monumente vor vielen Häusern stehen – kunstvoll geschnitzt, oft höher und prächtiger als die Häuser selbst. Sie markieren die Grenze zwischen Öffentlichkeit und Privatem und sollen das Böse fernhalten.

Am Ende des Tages tuckern wir zurück nach Vișeu de Sus – erfüllt von den Eindrücken und dem Gefühl, eine kleine Zeitreise gemacht zu haben.

Noch auf der Liste: Der fröhliche Friedhof von Săpânța

Einen Ort haben wir leider nicht geschafft. Er steht aber fest auf unserer Liste für den nächsten Besuch: der Fröhliche Friedhof von Săpânța. Berühmt sind seine bunten Kreuze, die mit naiven Malereien und kurzen Texten nicht nur das Leben, sondern oft auch mit einem Augenzwinkern den Tod der Verstorbenen beschreiben. Anders als viele Friedhöfe wirkt er farbenfroh, humorvoll und überraschend lebendig – ein Stück Kultur, für das wir gern zurückkommen.

Moldova – Seen & Klöster

Die Moldau-Region im Nordosten Rumäniens ist geprägt von sanften Hügeln, tiefen Wäldern und stillen Orten, die seit Jahrhunderten geistige Rückzugsräume bieten. Hier liegen der Bicaz-Stausee, das Kloster Neamț und die Einsiedelei Vovidenia – Plätze, an denen sich Naturerlebnis und Spiritualität auf besondere Weise verbinden.

Bicaz-Stausee – die Fahrt nach Norden

Auf dem Weg nach Norden begleitet uns der Bicaz-Stausee. 40 Kilometer lang schiebt er sich durch die Täler der Ostkarpaten, gespeist von unzähligen Zuflüssen. Wir halten immer wieder an, um den Blick über das Wasser schweifen zu lassen – ein See, der zugleich Kraftwerk, Speicher und Landschaftserlebnis ist.

Kloster Neamț und Einsiedelei Vovidenia – Orte der Stille

Kloster Vovidenia in der Bukowina, Rumänien – orthodoxes Kloster mit Kirche, Türmen und traditioneller Architektur
Kloster Vovidenia: stiller Rückzugsort am Rand der Bukowina
Kloster Neamț in der Bukowina, Rumänien – eine der ältesten orthodoxen Klosteranlagen mit reich verzierter Steinkirche
Kloster Neamț: eines der ältesten Klöster Rumäniens.

Abseits der großen Straßen finden wir an der Einsiedelei Vovidenia einen stillen Platz für die Nacht. Umgeben von Wäldern, einer Quelle und dem leisen Läuten der Glocken erlebten wir eine besondere Ruhe. Für uns war es einer dieser Orte, an dem Zeit und Alltag in den Hintergrund treten.

Am nächsten Tag fahren wir zum Kloster Neamț, einem der ältesten Männerklöster des Landes. Anders als an der Einsiedelei ist es hier voller: Besuchergruppen, Schulklassen, Pilger. Doch trotz des Trubels spürt man, dass es ein Ort mit Gewicht und Geschichte ist – seit Jahrhunderten geistiges Zentrum der Region.

Sowohl in der Moldau als auch in der Bukowina sind die Klöster eng mit dem Namen Stefan cel Mare verbunden. Der Fürst soll für jeden Sieg auf dem Schlachtfeld ein Gotteshaus errichtet haben – und so entstanden in seiner Zeit dutzende Kirchen und Klöster, die bis heute das Gesicht der Region prägen.

Bukowina – Fresken in Blau und Grün

Die Bukowina im Norden Rumäniens ist weltbekannt für ihre bemalten Klöster. Ihre Fresken leuchten seit Jahrhunderten in kräftigen Farben und erzählen Geschichten aus der Bibel – mal eindringlich, mal voller Symbolik. Besonders eindrücklich war für uns der Besuch in Sucevița, und ein Abstecher nach Voroneț mit seinem legendären „Voroneț-Blau“ steht für das nächste Mal fest auf unserer Liste.

Sucevița – Fresken und Festungsmauern

Kloster Sucevita
Kloster Sucevita
Kloster Sucevita
Kloster Sucevita

Noch eindrücklicher bleibt uns das Kloster Sucevița im Gedächtnis. Es wirkt von außen fast wie eine Festung: massive Mauern, Wehrtürme, die Kirche geschützt im Inneren. Und doch leuchten auf den Mauern Fresken, die seit über 400 Jahren Geschichten aus der Bibel erzählen. Besonders berühmt ist die „Leiter der Tugenden“, eine Darstellung, die zeigt, wie schwer es ist, den Weg ins Paradies zu finden. Dass die Farben dieser Malereien bis heute nicht nachgeahmt werden können, macht das Ganze noch geheimnisvoller.

Noch offen: Voroneț

Und dann gibt es noch Voroneț – berühmt für sein einzigartiges Blau, oft „Sixtina des Ostens“ genannt. Wir haben es auf dieser Reise nicht geschafft, doch es steht fest auf unserer Liste. Vielleicht auch gut so: Es bleibt ein Grund, wiederzukommen.

Banat – Mühlen und Heilquellen

Das Banat im Südwesten Rumäniens ist eine Region voller Gegensätze. Zwischen alten Thermalbädern, verschlafenen Dörfern und den Wassermühlen von Rudăria zeigt sich hier ein Rumänien, das zugleich vergangene Glanzzeiten und lebendige Traditionen bewahrt. Besonders eindrücklich waren für uns die Eindrücke in Băile Herculane und die Wanderung entlang der historischen Mühlen im Rudăria-Tal.

Unser Weg führt uns ins Banater Bergland – eine Region, die sich über Rumänien, Serbien und einen kleinen Teil von Ungarn erstreckt. Hier treffen wir auf Spuren von Geschichte, aber auch auf Orte, die sich ihrer Glanzzeiten entledigt haben.

Băile Herculane – Kurort zwischen Prunk und Verfall

Băile Herculane in Rumänien – historischer Kurort mit barocker Architektur und Thermalquellen, heute teils im Verfall
Herkulesbad: Einst mondäner Kurort, dem Verfall preisgegeben
Modernes Hotelgebäude in Băile Herculane, Rumänien – Kontrast zwischen Kurarchitektur, Fluss und bewaldeten Hügeln
heute: moderne Hotelarchitektur, Natur und Thermaltradition.

Schon die Römer nutzten die heißen Quellen des heutigen Băile Herculane, später machten die Habsburger den Ort zu einem mondänen Kurort. Im 19. Jahrhundert entstanden prächtige Badehäuser und barocke Fassaden, die Besucher aus ganz Europa anzogen. Heute sind viele dieser Gebäude dem Verfall überlassen – bröckelnder Putz, verblasste Ornamente, morbider Charme.

Daneben erheben sich kommunistische Betonbauten, die genauso ungenutzt wirken wie die alten Badehäuser. Der Kontrast ist gewaltig: ein Ort, der einst für Heilung und Glanz stand, wirkt heute vielerorts wie ein Lost Place.

Und doch: Die Thermalquellen sprudeln weiter. Neben den historischen Gebäuden gibt es moderne Hotels und Kureinrichtungen, die den Betrieb am Leben halten. Băile Herculane erinnert in vielem an Karlsbad – nur dass Karlsbad seit den 1990ern umfassend saniert wurde, während hier der alte Glanz noch auf seine Wiederentdeckung wartet. Schade, dass so viel verloren gegangen ist, aber vielleicht lohnt sich gerade deshalb ein zweiter Blick.

Durch die Dörfer des Banat

Auf dem Weg nach Rudăria wird die Straße schmaler, löchriger, manchmal nur noch ein Teerstreifen. Wir durchqueren kleine Dörfer, die wirken, als sei die Zeit stehen geblieben. Menschen sitzen auf Holzbänken vor ihren Häusern, Holz für den Winter wird frisch zersägt, die Abflussgräben neben der Straße sind so tief, dass wir uns fragen, wie die Autos hier unversehrt parken können. Es sind diese Szenen, die das Banat bodenständig und echt wirken lassen.

Rudăria-Mühlen – verborgenes Erbe

Holzwassermühle in Rudăria, Banat, Rumänien – Besucher vor traditionellem Mühlenhaus im Wald
Traditionelle Holzwassermühle in Rudăria, Banat, Rumänien
Wassermühle in Rudăria, Banat, Rumänien – traditionelles Holzgebäude am Fluss, UNESCO-Kulturerbe
Teil des größten funktionierenden Mühlenensembles Europas.

Schließlich erreichen wir das Tal von Rudăria, auch bekannt als Eftimie Murgu. Hier reihen sich mehr als 20 kleine Wassermühlen entlang des Flusses Rudărica aneinander – ein einzigartiges Ensemble, das bis heute funktioniert. Manche der Mühlen stammen noch aus dem 18. Jahrhundert. Ihre Namen erinnern an ihre Erbauer oder beschreiben ihre Eigenheiten: „Tunnelmühle“, „Firiz“…

Wir hätten gern gesehen, wie hier noch immer Korn zu Mehl gemahlen wird – doch an diesem Tag sind die Türen verschlossen. Ein Grund mehr, wiederzukommen. Schon jetzt spüren wir, dass wir einen Schatz gefunden haben, der nicht vielen Reisenden bekannt ist: das größte funktionierende Mühlenensemble seiner Art in Europa.

Wenig später finden wir einen Stellplatz an einem kleinen Bach, mitten im Wald. Einsam, kühl, erfrischend – ein perfekter Kontrast zur Sommerhitze und ein stiller Abschluss unseres Banat-Abenteuers.

Praktische Tipps für eine Reise nach Rumänien

  • Beste Reisezeit: Mai bis September – im Frühling blüht alles frisch und grün, der Sommer ist lebendig, der Herbst farbenprächtig.
  • Reisedauer: Plane für Maramureș, Moldova, Bukowina und Banat mindestens 10 Tage ein, besser zwei Wochen, um die Regionen entspannt zu erleben.
  • Unterwegs mit dem Camper: Übernachten kannst du an Klöstern, auf kleinen Campingplätzen oder mitten in der Natur – oft mit Wasserquelle und viel Ruhe.
  • Sprache: Rumänisch ist die Hauptsprache. Mit Englisch oder manchmal auch Deutsch kommst du weiter, aber am besten wirkt ein freundliches Lächeln.

Lesetipps für unterwegs

Wenn du unterwegs lieber etwas in der Hand hast, gibt es eine ganze Reihe guter Reiseführer für Rumänien. Hier eine kleine Auswahl:

Fazit – Ein stiller Bogen

Die Karpaten sind kein Ort, den man im Vorbeigehen kennenlernt. Sie verlangen Zeit, Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, sich einzulassen. Zwischen Holz und Stein, Fresken und Flüssen zeigt sich ein Rumänien, das mit Zurückhaltung glänzt.

Hier reist man nicht von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit, sondern taucht ein in Lebensräume – in Klöster, Wälder, alte Dörfer. Wer bereit ist zuzuhören, entdeckt in diesem Gebirgsbogen, dem sogenannten Karpatenbogen, nicht nur Landschaften, sondern die stille Kraft einer Kultur, die seit Jahrhunderten ihre Spuren bewahrt hat.

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Warst du schon einmal in den Karpaten unterwegs? Oder steht Rumänien noch auf deiner Wunschliste? Erzähl mir in den Kommentaren von deinen Erlebnissen und Plänen – ich bin gespannt!

Wenn du nach den Karpaten noch mehr über Rumänien erfahren willst, findest du in meinem Bericht über Siebenbürgen – spannende Eindrücke zu Burgen, mittelalterlichen Städten und Legenden.“

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