An diesem Morgen starte ich schon sieben Uhr. Überhaupt wache ich hier recht früh am Morgen auf. Zu Beginn der Reise war es noch vor sechs Uhr, inzwischen oft kurz nach sieben. Mir gefällt das. Sobald ich abends angekommen bin, passiert meist nicht mehr viel. Ich schreibe Blog, schaue noch ein, zwei Videos und geh recht früh schlafen. Das ist manchmal etwas herausfordernd, denn es wird hier ziemlich spät dunkel. Ich habe zwar Verdunklungsvorhänge an den Fensterscheiben, aber ausgerechnet das größte davon – das Küchenfenster ist ohne Vorhang. Mich stört das nicht so sehr, ich kann bei jedem Beleuchtungszustand schlafen. Aber wer es dunkel mag, könnte Probleme beim einschlafen kommen.
Der „Overflow“-Platz der letzten Nacht hatte keinen Internetempfang. Also suche ich mir wieder einmal ein Plätzchen mit Aussicht und Empfang. An Kalamaika Lakeview Drive finde ich ihn und schreibe einen großen Teil meines neuen Artikels fertig.

Heute will ich also Richtung Nelson. Als ich mir das ganze auf der Karte anschaue, schwanke ich immer wieder hin und her. Die Strecke führt mich rund 350 Kilometer in die entgegengesetzte Richtung. Andererseits hab ich noch genug Zeit, ich bin erst zehn Tage hier und für Vancouver Island bleiben mir noch genug Tage. Dahin will ich unbedingt. Gut eine viertel Stunde hadere ich mit mir, was ich tun soll und entscheide mich schließlich für die Strecke nach Nelson. So hatte ich es mir zu Hause überlegt und so mache ich das jetzt auch. Überhaupt habe ich irgendwann auf der Reise beschlossen, dass es diesmal ein Roadtrip ist. Es gibt so viele Orte, an denen ich einfach stehen und genießen könnte. Wandern gehen, ein, zwei Tage am See verbringen. Oder vielleicht sogar Golf spielen. Aber noch bin ich nicht so weit. Noch treibt es mich voran, möchte ich so viel wie möglich von diesem Land sehen.
Also verstaue ich wieder alles kurvensicher in den Schränken. Als ich mich in dem kleinen Bad gerade wieder anziehe, erwische ich mit meinem linken Arm den Hebel der Dusche. Im ersten Moment verstehe ich gar nicht, was da gerade passiert ist, bis ich realisiere, dass mich die Dusche mit Wasser besprenkelt. Als ich es verstehe, drehe ich das Wasser ab und bleibe erst mal ungläubig stehen. Dann lache ich heftig los. Von meinen Haaren tropft es, auf meinem linken Brillenglas kann ich nichts mehr sehen und auch meine Hose hat etwas abgekriegt. Notdürftig trockne ich mich ab und wechsle meine Hose.
Dann geht es los. Zuerst ein paar Kilometer durch Farmland, in dem vereinzelte Höfe liegen. Hier ist so mancher Nachbar vermutlich zum Teil wirklich einen halben Tagesmarsch entfernt.

Dann verändert sich die Landschaft wieder und wird zu dem, was ich mit Kanada verbinde, endlose Wälder, einsame Sümpfe, umgefallene Bäume, deren morsche Stämme allmählich verfallen. Immer wieder bleibe ich stehen, um zu schauen und nicht alles an mir vorbeifliegen zu lassen. Die Strecke ist gut befahren. Es fährt eigentlich ständig jemand hinter mir, dem ich zu langsam bin. Aber die meisten Kanadier halten es so lange mit mir aus, bis eine „passing lane“ das überholen sicherer macht. Vor allem wenn es bergauf geht, werden die Straßen dreispurig mit zwei Spuren bergauf und einer bergab. Und so kann ich mein Tempo halten, ohne andere auszubremsen. Das fahren hier ist sehr angenehm. Durch die Ortschaften wird eher gebummelt als zu schnell gefahren, die maximum 50 km/h oft sogar unterschritten. Vielleicht liegt es daran, dass die großen Autos hier auch wesentlich mehr Sprit verbrauchen. Sicher, auch hier gibt es ganz normale PKW wie Nissan oder Buick. Aber die großen sind gerade in den ländlicheren Gebieten stärker verbreitet. Oft wird an den Tankstellen auch nicht nur der Tank des Autos, sondern auch drei, vier, fünf Kanister vollgetankt. Bei den Kilometern, die manche Ranch oder manches Haus von der nächsten Tankstelle entfernt ist, wird das ziemlich schnell klar.




Als ich auf einem Strommast ein bewohntes Nest sehe, will ich mir das genauer ansehen. Ein bisschen unkonventionell nutze ich eine der Einfahrten zu einer Ranch um umzukehren. Dann muss ich noch einmal drehen, um am rechten Straßenrand stehenbleiben zu können. Inzwischen habe ich die Maße meines Wohnmobils gut im Gefühl, so dass ich tatsächlich wenden in drei Zügen mit Leichtigkeit hinbekomme. Der Streifen neben der Fahrbahn ist diesmal sehr viel schmaler als er normalerweise wäre aber die Reifen passen genau zwischen die Fahrbahnmarkierung und dem kleinen seitlichen Graben. Ich gehe ein Stück am Straßenrand entlang, um das Nest besser einsehen zu können, als ein anderer Kastenwagen hupend an mir vorbeifährt. Dann bremst er, legt den Rückwärtsgang ein und kommt wieder auf mich zu. Ich ahne, was kommt und gehe zu ihm hin. „Are you okay?“ fragt mich der ältere Mann dann auch. „Yes, Iˋm okay. I just wanted to take a picture“ erkläre ich ihm. Beruhigt legt er den Gang ein und fährt weiter. Das erlebe ich hier immer wieder. Nicht jeder legt gleich den Rückwärtsgang ein aber es wird schon geschaut, ob alles in Ordnung ist. Vor allem in abgelegenen Gebieten wie diesen helfen sich die Menschen gegenseitig.
Als der Mann fort ist, schaue ich zum Nest auf dem Strommast. Ich habe genau darunter geparkt und sehe den kleinen Falken überhaupt nicht. Die ganze Aktion war also nicht fürˋs Foto, dafür für die Erinnerung.
Ein paar Kilometer weiter bekomme ich meine erste kanadische Fährfahrt. Ich bin hier am Upper Arrow Lake, einer 240 Kilometer langen Talsperre. Über diese Talsperre führen insgesamt nur drei Fähren. Mehr sind in diesem Gebiet auch nicht notwendig. Es gibt nur drei Straßen, die hier entlang führen. Die Überfahrt dauert gerade einmal 10 Minuten, dann bin ich von Needles nach Fauquier übergesetzt. Und habe keinen Cent bezahlen müssen.




Der Ort, an dem ich dann lande, kann ich kaum beschreiben. Es ist noch immer der Arrow Lake, diesmal im Mc Donald Creek Provincial Park. Und hier auf dem gleichnamigen Campground. Diesen kann ich uneingeschränkt empfehlen. Von den bestimmt 70 oder mehr Stellplätzen haben nur gut 10 Stromanschluss. Die restlichen Plätze sind zwischen den Bäumen versteckt. So hat jeder auf seinem Stück Land viel Privatsphäre und muss nur wenige Meter gehen, um an einen riesigen breiten Sandstrand zu gelangen. Der See eignet sich zum schwimmen, für Kajak-Touren und was Wasserratten noch so einfallen mag. Ich genieße die Aussicht, den Strand und die Ruhe. Ein bisschen erinnert es an die bekannteren Parks wie Banff. Aber hier sind kaum Touristen. Hierher kommen die Kanadier zum campen.



Liebe Claudia, heute habe ich mal zwei Tage lesen nachgeholt 😀😀es ist wirklich immer wieder sehr spannend was du so erlebst👍🚍 und uns auch nette Begebenheiten mitteilst❣️
Wir freuen uns auf weitere schöne Bilder und Berichte.
Alles Gute weiterhin und viele liebe Menschen, die für dich den Rückwärtsgang einlegen ❣️❣️❣️❣️
Thomas und Kerstin