Den Tag beginne ich mit einem Besuch am See. Und überrasche gleich ein Reh, dass zu dieser frühen Stunde vermutlich noch nicht mit einem Zweibeiner gerechnet hat. Bilder gibt es davon aber nicht. Dafür diesen schönen Sonnenaufgang. Ich liebe diese frühe Stunde, wenn alles noch schläft und eine unbeschreibliche Ruhe in der Welt liegt. Dafür zeitig aufzustehen ist mir ein Fest.

Ich versuche mich noch einmal am Abwasser. Der Dutch Lake Resort & RV bietet an jedem Stellplatz eine eigene Abwasserentsorgung an. Wie vorgesehen, befestige ich den Schlauch zwischen dem dafür vorgesehenen Abfluss am Camper und dem Abwasser-Abfluss im Boden. Am nächsten Morgen scheint die Sonne und ich nutze die Gelegenheit, den Schlauch nach dem entleeren zu trocknen. Das gelingt auch und diesmal fühlt es sich schon um einiges besser an. Wir werden sicher keine Freunde aber respektvolle Kollegen auf der Reise kann ich mir vorstellen. Aber ich gebe zu, ich vermisse die deutsche Entsorgung schon ein bisschen.

Ich gehe noch kurz in Clearwater einkaufen und mir wird wieder einmal klar, wie wenig ich benötige und wie riesig im wahrsten Sinn des Wortes das Angebot ist. Dies hier ist ein viel kleinerer Supermarkt als der Walmart in Calgary. Und dennoch habe ich Mühe, zwischen all den 3 Liter Flaschen und den Großpackungen, die eher für die nächste Grillparty mit mindestens 20 Gästen geeignet sind, Artikel für mich zu finden. Aber letzten Endes gelingt es mir und ich schiebe meinen Einkauf stolz zum Wohnmobil.



Ich will ins Okanagan Valley, dem Weinanbaugebiet Kanadas. Das ist von Clearwater rund 320 Kilometer entfernt. Google-Maps sagt dazu rund 3 Stunden. Das weiß aber nicht, dass ich mit einem Wohnmobil mit eigenem Wind-Widerstand unterwegs bin. Ich rechne also damit, locker den ganzen Tag unterwegs zu sein. Und natürlich mache ich unterwegs einige Zwischenstopps.

Jetzt verändert sich die Landschaft komplett. Die riesigen, undurchdringlichen Wälder verschwinden und auch die Berge werden kleiner und sind am Ende nur noch Hügel. Es ist schon fast ein bisschen wie das Auenland der Hobbits. Und ich fühle mich oft an Neuseeland zurückerinnert.

Nur an eine Eisenbahn kann ich mich dort nicht erinnern.

Die Strecke zieht sich. Kilometerlang führt die Straße oft schnurstracks geradeaus. Ich kann gar nicht so oft halten, wie ich Fotos machen will. Also fotografiere ich ganz oft während ich fahre. Das ist allein ein bisschen herausfordernd. Aber meine rechte Hand hat inzwischen gelernt, den Auslöser zu drücken, ohne das ich hinsehen muss. Ob alles funktioniert hat sehe ich erst, wenn ich schreibe und die passenden Bilder raussuche. Und bislang kann ich mich nicht beschweren.
Als ich meine Tour für heute geplant habe, wollte ich eigentlich nach Kelowna. Das ist eine recht große Stadt und ich bin noch immer nicht darauf eingestellt, Städte anzuschauen. Ich suche nach kleineren Orten oder nach Orten, die aus der Welt gefallen scheinen. In den Rockies war das ziemlich leicht. Hier wird es etwas aufwändiger. Und so ganz klappt es heute nicht. Ich lande in Peachland direkt am Lake Okanagan. Hier fühle ich mich an den Gardasee erinnert. Nur das es ein dreimal so großer Gardasee ist. Auch mit dem Wetter habe ich Glück. Unterwegs ist es zwar bewölkt und es regnet in Streifen. Aber sonst scheint immer die Sonne oder es ist bewölkt aber trocken. Die letzten Kilometer runter nach Peachland sind ziemlich beeindruckend. Mir war nicht klar, dass ich so hoch war und jetzt ziemlich steil wieder runter muss.

Immer wieder und vor allem an den Stellen, bevor es danach steil bergab geht, sind am Straßenrand Haltebuchten angelegt. Schon einige Kilometer zuvor werden die Fahrer von Trucks mit mehr als 5,5 Tonnen aufgefordert, die Bremsen zu prüfen. Es sind riesige Haltebuchten, an denen sich dann auch die Trucks versammeln. Zusätzlich wurden auch an vielen Stellen Runaway Lanes eingerichtet. Sollten die Bremsen versagen, fährt man in diese Spur. Sie ist mit Kies oder anderem Material gefüllt, die letztlich den Truck zum stehen bringen. Hier sind es meist steil nach oben verlaufende Schneisen, die aussehen, als würde der Truck senkrecht auf den Hügel rollen. Das kenne ich auch von den deutschen Autobahnen, aber bei weitem nicht so zahlreich. Vorstellen mag ich mir eine solche Szenerie nicht, aber Reifenspuren belegen, dass diese Stellen durchaus genutzt werden müssen.


Unsere Bremsen funktionieren gut und wir kommen schließlich in Peachland an. Und ja, es heißt tatsächlich Pfirsichland. 5.000 Einwohner hat die Stadt am Okanagan Lake. Ihren Namen soll sie von John. M. Robinson erhalten haben, einem Entdecker dieser Gegend nachdem er die hier wachsendenen Pfirsische gekostet hat. Heute lebt die Region vor allem vom Wein- und Obstanbau und vom Tourismus. Denn auch Kanadier mögen es warm und sonnig.

Mein Campground ist der Todd’s Lakeside RV Campground. Als ich einchecken will, werde ich freundlich darum gebeten, es direkt online zu machen. Das macht den wenigsten Aufwand. Also stelle ich mich auf Platz Nummer 33 und fülle online das Formular aus. Gut, dass ich hier unter Menschen bin, denn Internet war nicht immer problemlos möglich. Als ich meine SD-Karte beim Walmart in Calgary gekauft habe, wurde mir zwar versichert, dass „Lucky“, der Anbieter über ganz Kanada super Internet hat. Allerdings ist es eben auch so, dass oft die Berge oder auch die Abgelegenheit der Orte entscheidet, ob es Internet gibt oder nicht. Hier habe ich Glück.


Das schöne an diesem Teil des Landes ist, dass hier jeder Campground mindestens einen Stromanschluss hat. Es gibt zwar Unterschiede in der Stärke (15 oder 30 Ampere) aber ich kann jeden Abend mein Equipment wieder aufladen. Vor allem in den Rockies muss man damit rechnen, dass die Campgrounds ohne Strom oder heißem Wasser sind. Logistisch absolut verständlich.
Am nächsten Morgen probiere ich das erste Mal die Mikrowelle aus. Für mich unvorstellbar haben die hiesigen Camper eine Mikrowelle. Und so kann ich mir mein in Calgary gekauftes Porridge mit Äpfeln und Zimt einfach mit Milch warm machen. Bisher habe ich es mit heißem Wasser aufgefüllt aber mit Milch ist es eben ein echtes Porridge.

Dann packe ich zusammen und fahre einmal die Strandpromenade rauf und wieder runter. Viel mehr bietet Peachland nicht. Es ist auch nicht einfach, die kanadischen Städte oder Dörfer auf einem Bild festzuhalten. Meist führt eine vierspurige Straße durch den Ort und die Häuser links und rechts ducken sich fast schon weg. Die meisten der Häuser sind aus Holz und gefühlt ziemlich klein. Vor einigen von ihnen steht ein Trailer oder RV-Wohnmobil, die zum Teil größer sind, als die Häuser. Dazu aber später vielleicht mehr. Hier ein paar Impressionen von der Strandpromenade.



Viel mehr passiert an diesem Tag nicht. Ich lege endlich meinen Schreibtag ein und suche mir dafür ein Plätzchen mit Aussicht in der Nähe von Summerland.

Danach fahre ich noch eine gute Stunde nach Vernon, denn am nächsten Tag will ich die empfohlene Strecke nach Nelson fahren. Durch Kelowna komme ich nur recht langsam voran, ich scheine den Feierabendverkehr erwischt zu haben.


Als ich im Kekuli Bay Provincial Park ankomme, ist der Campingplatz schon voll besetzt. Die Parkrangerin sagt mir aber, dass ich auf dem „Overflow“ Platz stehen und sämtliche sanitären Anlagen des Platzes nutzen kann. Und dann sagt sie mir im besten deutsch was es kostet und wie das ganze hier läuft. Sie kommt aus Ungarn und hat deutsch in der Schule gelernt.

Der „Overflow“-Platz ist eigentlich der Parkplatz für die Tagesgäste und ziemlich schräg – also rein bautechnisch. Ich muss ein bisschen kreativ sein, um einigermaßen gut schlafen zu können. Meine Nachbarn sind zwei Kanadier mit einem Pickup-Truck. Er fragt mich, wo ich herkomme. Und als ich ihm sage „Germany“ meint er „das hab ich mir gedacht.“ „Woran haben sie das erkannt?“ frage ich zurück. Und er sagt, ich habe einen deutschen Akzent. Spannend. Ich würde zu gern wissen, wie ich mich für kanadische Ohren anhöre.
Ein toller Bericht liebe Claudi
Die Landschaften, Seen und Flüsse sind umwerfend schön!
Immer wieder danke für’s Mitnehmen und auch für die Beschreibung von alltäglichen Sachen. Die riesigen Supermärkte und XXXL- Packungen würden mich etwas überfordern … und bei deinem stolz gefülltem Einkaufswagen musste ich herzhaft lachen – ich hatte „etwas“ mehr Inhalt vermutet ;o)
Erkenntnis: in Kanada ist alles riesig
Gute Reise weiterhin & liebe Grüße. Silke