Zwischen Mythos und Geologie
Rumänien bietet weit mehr als Burgen, Dörfer und dramatische Geschichte. Abseits bekannter Routen lassen sich Naturerscheinungen entdecken, die fast surreal wirken: Flammen, die aus dem Boden schlagen, lehmige Mini-Vulkane, Eis in dunklen Höhlen und vulkanische Seen. Dieser Artikel nimmt dich mit zu den eindrucksvollsten Naturphänomenen des Landes. Es geht nicht um Showeffekte oder Instagram-Hotspots, sondern um Orte, die in ihrer Schlichtheit faszinieren, ihren eigenen Rhythmus haben und einen anderen Zugang zur Natur ermöglichen.
1. Die Ewige Flamme von Buzău – Feuer an der Erdoberfläche


In den abgelegenen Hügeln bei Lopătari in der Region Buzău gibt es ein natürliches Phänomen, das selbst viele Rumänen nicht kennen: die „Focul Viu“ – die Ewige Flamme. Hier tritt Methangas aus dem Erdreich aus und entzündet sich beim Kontakt mit Sauerstoff. Die kleine Flamme brennt ununterbrochen, auch bei Regen oder Wind. Der Ort ist nicht touristisch erschlossen. Ein schmaler, unscheinbarer Pfad führt durch Wiesen und Wald bis zur Flamme, die in einem erdigen Loch flackert. Es gibt kein Geländer, keine Hinweistafel, keine Absperrung. Nur du und dieses stille, natürliche Feuer. Die Szenerie wirkt schlicht, aber eindrucksvoll. Wer sich die Zeit nimmt, dort zu verweilen, erlebt ein seltenes Naturschauspiel ohne Inszenierung. Ein stiller Ort, der in seiner Schlichtheit beeindruckt.
2. Die Schlammvulkane von Berca – Blubbernde Mini-Krater


Nur rund 30 Kilometer entfernt von der Ewigen Flamme liegt ein weiteres Naturphänomen: die Schlammvulkane von Berca. Diese Landschaft gehört wie die ewige Flamme ebenfalls zum „Buzău Land UNESCO Global Geopark„. Ein bisschen erinnert es an die Landschaften auf entfernten Planeten in Science-Fiction-Filmen. Aus kleinen, kegelartigen Erhebungen steigt zäher Schlamm auf, manche begleitet von leisen Blubbergeräuschen. Als wir da sind, sind sie recht ruhig, fast schon behäbig. Die Ursache dafür sind Gase aus mehreren Kilometern Tiefe. Geischt mit Wasser und Tonerde pressen sie eine breiige Masse an die Oberfläche. Das Ergebnis ist eine karge Kraterlandschaft, die sich je nach Wetter und Jahreszeit immer wieder leicht verändert. Der Boden ist rissig, stellenweise matschig, und bei Regen kann jede Bewegung rutschig werden. Besucher sollten robustes Schuhwerk mitbringen und respektvoll mit dem sensiblen Gebiet umgehen. Auch hier: keine Absperrungen, keine Schilderflut. Nur rohe Natur und die Einladung, genau hinzusehen.
3. Scărișoara-Höhle – Ewiges Eis unter den Karpaten


Die Scărișoara-Höhle im Apuseni-Gebirge ist nicht einfach zu erreichen – aber genau das macht ihren Reiz aus. Nach einer kurvigen Anfahrt und einem kleinen Spaziergang durch bewaldete Hügel gelangt man zum Eingang der Gletschergrotte. Hier kaufen wir unsere Tickets und warten auf die nächste Führung. Der Zugang zur Höhle ist nur damit möglich. Eine 450 Stufen lange Metalltreppe führt uns schließlich in einen Krater hinab, der den Eingang zur Höhle bildet. Im Inneren liegt seit tausenden Jahren ein massiger Gletscher, von dem wir nur einen winzigen Teil sehen können. Rund 75.000 Kubikmeter Eis liegen hier in bis zu 26 Meter Dicke unter uns. Rund 3.500 Jahre alt soll es sein – so vermuten Wissenschaftler. Selbst im Hochsommer bleibt die Temperatur nahe des Gefrierpunktes. Um das Eis zu schützen, führen die Wege über extra angefertigte Holzstege. Links und rechts stehen Formen, die das Eis nach und nach in ständiger Verwandlung erschafft. Im Frühjahr gefriert das Gletscherwasser in der Höhle, während im Sommer der Krater die Hitze draußen hält.
Hier gibt es kein Spektakel, keine Lichtershow, sondern Natur in ihrem ursprünglichen Zustand. Wer sich auf die Stufen und die Kälte einlässt, erlebt einen stillen, in seiner Schlichtheit erhabenen Ort. Wir waren in den rumänischen Sommerferien da und erlebten etwas mehr Trubel. An anderen Tagen ist sicher wenig los.
4. Der St. Ana See – Vulkankrater mit Geschichte


Der St. Ana See liegt auf etwa 950 Metern Höhe im Harghita-Gebirge und ist der einzige vulkanische Kratersee Rumäniens. Entstanden ist er durch den Einsturz eines ehemaligen Vulkankegels, der sich im Lauf der Jahrhunderte mit Regenwasser füllte. Das Besondere: Der See hat keinen Zufluss und keine Ableitung – er wird ausschließlich durch Niederschlag und Schmelzwasser gespeist. Dadurch bleibt das Wasser extrem klar, aber auch empfindlich für ökologische Eingriffe. Baden oder Motorboote sind nicht erlaubt. Wer hierher kommt, sucht keine Action, sondern Ruhe. In der Umgebung gibt es Wanderwege, Aussichtspunkte und eine zweite geologische Besonderheit: das Mohoș-Sumpfgebiet, das auf einem erkalteten Lavastrom liegt. Die Kombination aus Wasser, Wald und vulkanischer Geschichte macht diesen Ort zu einem echten Naturjuwel.
Eine Besonderheit sind auch die hier lebenden Braunbären. Sie haben sich an den Trubel gewöhnt. Nur wenige Schritte neben den Wegen suchen sie auf den Wiesen und zwischen den Bäumen nach Nahrung. Es ist dennoch Vorsicht geboten. Aber wer sich an die Verhaltensregeln hält, kann die Begegnung mit diesen Tieren genießen.
5. Die Pyramiden von Șona – Rätselhafte Formationen im Gras


Etwa 10 Kilometer von der Stadt Făgăraș entfernt liegt das kleine Dorf Șona. Hier sagen sich wahrhaftig „Fuchs und Hase gute Nacht“. Uns hat jedoch eine Besonderheit hier hergeführt. Denn vor den Toren des Dorfes erhebt sich eine Reihe grasbewachsener Hügel, die in ihrer Form auffallend regelmäßig wirken. Manche sprechen von „Pyramiden“, andere von uralten Grabhügeln. Wissenschaftlich belegt ist nichts davon. Ihre Herkunft bleibt ungeklärt, was den Ort umso faszinierender macht. Einige Hügel sind bis zu zehn Meter hoch und bieten bei gutem Wetter eine schöne Aussicht auf das Umland. Die Einheimischen schätzen den Ort vor allem wegen seiner Ruhe und Abgeschiedenheit. Wer sich für geomorphologische Rätsel interessiert, ist hier genau richtig. Ein einfacher Spaziergang wird zur Entdeckungstour durch ein stilles Naturmysterium.
6. Die rote Schlucht von Râpa Roșie – Sandstein in Flammenfarben


Nahe der Stadt Sebeș zieht sich das Sandsteinmassiv von Râpa Roșie – der „Roten Schlucht“ – über mehrere Kilometer durch die Hügellandschaft. Die tiefen Erosionsrinnen, die sich in den roten Sandstein gefressen haben, leuchten besonders im Abendlicht in intensiven Rot- und Orangetönen. Die Schlucht ist nicht touristisch erschlossen, aber gut erreichbar. Ein kleiner Wanderweg führt an den Rand der Formation, von wo aus sich ein spektakulärer Blick auf das Erosionsgebiet bietet. Geologisch ist die Schlucht ein Paradebeispiel für die Kraft von Wind und Wasser. Fotograf:innen, Geologieinteressierte und Ruhesuchende kommen hier gleichermaßen auf ihre Kosten. Am besten besucht man den Ort in den Abendstunden, wenn das Licht das Gestein in leuchtende Farben taucht.
7. Bicaz-Klamm – Zwischen Felswänden und Flusslauf


Die Bicaz-Klamm (Cheile Bicazului) liegt im Nordosten Rumäniens und gilt als eine der spektakulärsten Straßen des Landes. Auf wenigen Kilometern windet sich die Straße durch eine enge Schlucht mit bis zu 300 Meter hohen Felswänden. Parallel dazu verläuft der Bicaz-Fluss, der sich seinen Weg durch das Gestein gebahnt hat. Besonders eindrucksvoll ist die Kombination aus Straße, Fels und Wasser. Wohnmobile passen gerade so durch die Kurven, und an einigen Stellen wirkt es, als würden die Felswände über einem zusammenrücken. Trotz der Dramatik ist es ein ruhiger Ort, vor allem in den frühen Morgenstunden oder am späten Nachmittag. Kleine Parkbuchten laden zum Anhalten und Staunen ein. Auch hier zeigt sich Rumäniens Natur von ihrer rohen, unverfälschten Seite.
Links und rechts der Straße laden kleinere Marktstände zum bleiben und shoppen ein. Wir hatten etwas Pech während der Sommerferien und die Klamm war sehr gut besucht. An ein anhalten war nicht zu denken. Aber schon die Fahrt durch die massiven Felsen hat sich absolut gelohnt.
Wo man stehen kann – Stellplätze (mit Augenmaß)
Wer mit dem Wohnmobil unterwegs ist, findet in der Nähe einiger dieser Naturorte einfache Übernachtungsmöglichkeiten. Die Infrastruktur ist teils rudimentär, aber gerade das macht den Reiz aus. Hier einige Hinweise:
- Schlammvulkane Berca: In der App Park4Night sind einige Camping- und Stellplätze in der Nähe der Vulkane zu finden. Frei stehen auf Parkplätzen wird oft geduldet, aber bitte rücksichtsvoll verhalten.
- St. Ana See: Wir verbrachten eine ruhige und einsame Nacht in der Cabana Turistică Lac Sfânta Ana direkt neben dem Besucherzentrum. Wildcampen ist im Naturreservat nicht erlaubt.
- Bicaz-Klamm: In der Schlucht selbst gibt es nur kleine Parkbuchten. Den Campingplatz Cheile Bicazului kennen wir nicht, auf Park4Night hat er aber gute Bewertungen.
- Râpa Roșie: Auf der Wiese vor der Schlucht ist es möglich zu übernachten. Ein Schild der örtlichen Polizei warnt zwar vor möglichen Einbrüchen, wir haben hier zusammen mit anderen eine ruhige Nacht verbracht.
Tipp: In Rumänien ist die Nutzung von Apps wie „Park4Night“ oder das direkte Fragen bei Einheimischen oft der beste Weg zu legalen und geduldeten Stellplätzen. Bitte bedenke: Nicht jeder ruhige Ort ist automatisch ein geeigneter Platz für die Nacht. Und je ruhiger ein Ort ist, desto mehr verdient er deinen Respekt.
Fazit: Rumäniens Naturphänomene abseits der Hauptstraßen
Diese Orte stehen nicht auf jeder Touristenkarte. Sie liegen abseits, sind oft nur über Nebenstraßen oder Waldpfade erreichbar. Doch wer sich auf sie einlässt, erlebt Rumänien von seiner faszinierendsten Seite: roh, authentisch und voller geologischer Geschichten. Statt inszenierter Besucherzentren gibt es hier Ruhe, Ursprünglichkeit und manchmal sogar Einsamkeit. Die Natur tritt nicht als Spektakel auf, sondern als stiller Begleiter, der seine Wunder zeigt, wenn man sich die Zeit nimmt. Genau das macht diese Orte so besonders.
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