Kurz nach 8 bin ich unterwegs zu den Pinguinen. Ich hoffe, dass sie da sind, denn laut meinem Reiseführer bin ich schon zu spät. Im zusammenpacken fehlt mir noch die Routine. Aber ich hab ja genug Zeit zum üben. Erneut ruckel ich 4 Kilometer die Lighthouse Road entlang, um zum Leuchtturm von Moeraki zu gelangen. Das letzte Stück gehe ich zu Fuß. Außer mir ist noch ein vermutlich französisches Pärchen da. Sie kommen zu mir und zeigen mir in einiger Entfernung den Gelbaugenpinguin. Trotz Fernglas ist er zu klein, um alles zu erkennen. Ich laufe ein Stück weiter, bis mir ein Seelöwe im Weg liegt. Sprichwörtlich.
Als ich zurückkomme, leuchtet es weiß hinter einem Busch und ich bleibe stehen. Da ist einer. Ein Pinguin. Ganz nah.
Ich pirsche mich heran, soweit mir Stadtkind das möglich ist. Und werde prompt von einer Möwe angeschrien und wiederholt angeflogen. Zum Glück täuscht sie nur an und ich gehe ein paar Schritte weiter. Dort sehe ich sie wieder, sie hat ihre Jungtiere beschützt.
Ich setze mich hin, mach mich klein und unauffällig, fange die im Wind flatternden Riemen meines Rucksacks und schaue einfach nur. Und dann geschieht das unglaubliche. Zwei Pinguine kommen direkt auf mich zu. Bis auf wenige Meter watscheln sie durch das Gras heran. Schauen, putzen sich gegenseitig, schauen, schnäbeln, schauen und putzen sich wieder. Ich bin ganz allein mit Ihnen, abgesehen von schlafenden oder rangelnden Seelöwen unter und neben und den kreischenden Möwen über mir.
Eine Stunde verbringe ich dort. Bis die nächsten Schaulustigen kommen.
Noch einmal fahre ich zu den Moeraki-Bolders, denn inzwischen ist Ebbe. Und da liegen sie. In der Sonne und frei vom Wasser. Allein bin ich nicht. Überall wird sich herumgetrieben, posiert und fotografiert.
Und dann beginnt es wieder zu regnen.
Ich mache mich auf, weiter südwärts. Dunedin, so heißt es, ist die schönste Stadt Neuseelands. Als ich ankomme, ist Samstag Nachmittag. Wie immer, fahre ich auf den Aussichtspunkt für einen Blick über die Stadt.
Danach fahre ich ins Zentrum. Die meisten Geschäfte haben schon geschlossen. Ich bummle ein bisschen durch die Straßen, von Souvenir-Shop zu Souvenir-Shop und mache ein paar unmotivierte Fotos. Stadt interessiert mich gerade gar nicht.
Die High-Tide-Road bringt mich auf die Otago-Peninsula, meinem Ziel für heute. Es ist schon nach 18 Uhr. Eigentlich Zeit, sich um einen Schlafplatz zu kümmern. Aber mich zieht es weiter. Ganz am Ende der Halbinsel ist das Royal Albatros Center. Das interessiert mich sehr. Als ich dort ankomme sagt mir die junge Frau, die letzte Führung – nur so kann man sie sehen – beginnt in zehn Minuten. Und auf meine Frage nach dem, was ich sehen werde: vier Albatrosse sind auf jeden Fall da, denn sie sitzen auf ihren Nestern. Alle anderen Aktivitäten kann sie nicht garantieren. „but it’s a windy day today and they love it windy.“ Überzeugt! Ich kaufe ein Ticket und los geht‘s. Wir lernen, dass die Albatrosse im November/Dezember zum paaren nach Taiaroa Head kommen. Sie suchen sich einen Lebenspartner aus, mit dem sie bis zum Tod zusammen bleiben. Nur wenn einer stirbt, sucht sich der andere einen neuen Partner. Ist das Ei – sie legen immer nur eines – befruchtet, dauert das brüten 79 Tage. In dieser Zeit bleibt das Weibchen immer auf dem Ei sitzen. Kein Fischfang, nichts trinken. Im Januar/Februar schlüpfen die Jungtiere und müssen bis August/September nichts weiter tun als fressen und wachsen. Ab August reduzieren die Eltern das füttern und im September ist es so weit. Die Jungtiere strecken zum ersten Mal ihre bis zu 3 Meter Spannweite fassenden Flügel aus und legen sich in den Wind. Die nächsten 5 Jahre bleiben sie auf dem Wasser. Tag und Nacht. Sie fressen, trinken und schlafen auf dem Ozean. Erst als Teenager setzen Sie zum ersten Mal wieder ihre Füße auf festes Land. Dann beginnt der Kreislauf neu: Lebenspartner suchen, paaren, brüten…
Ein paar Schritte sind noch zu gehen. Wir Menschen sind hinter Glas, um die Tiere nicht zu stören. Und dann sehen wir sie fliegen. 45 Minuten haben wir Zeit. Es könnte endlos so weitergehen.